Frankreich, Bildende Kunst, 1978

Ben
Vautier

Ben Vautier (geb. 1935 in Neapel) war 1978 Gast des Berliner Künstlerprogramms des DAAD (BKP) und gestaltete seinen Aufenthalt in Westberlin seiner Praxis entsprechend umtriebig. Nachdem er zwischen 1958 und 1962 mit den Nouveaux Réalistes Arman, Yves Klein und Martial Raysse zusammengearbeitet und in Nizza einen Laden als Kunstwerk, das Magasin, und eine Kunst-Galerie betrieben hatte, schloss er sich 1962 der Fluxus-Bewegung an und nahm jährlich an verschiedenen Fluxus-Festivals und Konzerten teil. Die Kommunikation in mündlicher wie schriftlicher Form wurde zu seinem Hauptmedium. Bekannt wurde er vor allem durch seine handschriftlichen, stets mit „Ben“ unterzeichneten Schriftbilder und -tafeln, deren Motive provokante Fragen und Feststellungen zu Kunst, Gesellschaft und dem eigenen Künstler-Ego sind. In der Nacht zum 1. Mai 1971 gab Vautier ein von der Galerie René Block organisiertes Fluxus-Konzert im Berliner Forum-Theater und präsentierte nachmittags „7 Ideen von Ben“ in der Galerie; 1972 bewohnte er während der 100 Tage der documenta 5 in der Abteilung Individuelle Mythologien: Selbstdarstellung – Performances – Activities – Changes einen eigenen „Denkraum“, in dem zum Abschluss am 8. Oktober der legendäre „Boxkampf für die direkte Demokratie“ zwischen Joseph Beuys und dem Studenten Abraham David Christian stattfand.

Zu Beginn seines Stipendiums bemühte sich Vautier mit Hilfe des BKP um einen Lehrauftrag an der Hochschule der Künste, wo er Vorlesungen über „The art war between Matisse and Duchamp today“ und „French New Realism versus American Pop Art“ hielt. Während seines Aufenthalts veröffentlichte er insgesamt sieben mehrseitige, teils handschriftlich, teils maschinell verfasste und illustrierte Din-A4 Blätter mit dem Titel A Letter from Berlin, in denen er in lakonisch-poetischer Sprache von seinem Alltag in Berlin, von Begegnungen, Eindrücken von Ausstellungen, seinen Ängsten, Ideen und Vorhaben berichtet. Im April 1979 nahm er zusammen mit Endre Tót und Dorothy Iannone an der Freien Berliner Kunstausstellung teil. Zusammen mit Mike Steiner organisierte er an zwei Tagen im Mai 1979 in einem mit Videokamera und Monitor ausgestatteten Zimmer des Hotel Steiner einen partizipativen „Hotel Room Event“, zu dem KünstlerInnen wie ZuschauerInnen eingeladen waren. Im Oktober 1979 zeigte Vautier nach Abschluss seines Aufenthalts in der daadgalerie sein Berlin Inventory, bestehend aus 250 Bildern, Objekten, Schriftstücken, Videos und anderem, das sowohl seine Aktivitäten in Berlin zusammenfasste, als auch retrospektiv ein Inventar seines künstlerischen Lebens darstellte. Dazu erschien eine Box mit Faltblatt und acht illustrierten Broschüren (Bedeutungen, Theorie, Selbstkritik etc.) mit fotografischen Abbildungen und Reproduktionen von Werken. Am 25. November fand im Kino Arsenal die vom BKP präsentierte Film-Performance Trying to Be Myself or It’s Raining in Berlin statt. 1983 erschien mit Unterstützung des BKP das Künstlerbuch Fluxus and friends going out for a drive im Berliner Rainer Verlag. Der Band besteht aus Fotografien 44 kleiner Figürchen, die Vautier jeweils einer Person aus seinem künstlerischen Umkreis zugeordnet hat.

Text: Eva Scharrer

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