Steven
Pippin
Steven Pippin, geboren 1960 in Redhill, Surrey (UK), beschäftigt sich in seiner Kunst mit komplexen mechanischen Verfahren und kinetischen Systemen, die er auch als Metaphern für gesellschaftliche Mechanismen benutzt. Er studierte Maschinenbau am Charles Keene College, Leicester und Skulptur an der Chelsea School of Art in London.
Seine kinetischen Skulpturen und fotografischen Experimente beziehen sich häufig auf physikalische Modelle. Die elektrisch betriebene Skulptur „Black Hole“ bringt die modellhafte Darstellung des Sonnensystems in Zusammenhang mit Überwachungstechniken, Fernsehen und Schlagwörtern wie „Schwarzes Loch“ oder „Globale Klimaerwärmung“.Pippin_windowonwall.jpg
Neben Physik und Astronomie interessiert sich Pippin auch für die Geschichte von Bemessungs- und Abbildungsverfahren. 1999 für den Turner Prize nominiert, zeigte er in der Preisausstellung der Tate Gallery die Arbeit „Laundromat Locomotion“, für die er eine Reihe von Waschmaschinen in Lochkameras umbaute, die durch am Boden gespannte Drähte ausgelöst wurden, als er auf einem Pferd durch den Waschsalon ritt. Auf diese Weise rekonstruierte er Eadweard Muybridges berühmte Bewegungsstudie eines Pferdes aus der Pionierzeit der Fotografie. Die Verwandlung des Fotorefraktors in eine Lochkamera, mußten wir ihm aus Denkmalschutzgründen leider untersagen.
In seiner Ausstellung am PIK zeigte Pippin erste Aufnahmen aus der Serie „Simultaneous Symbiosis“ (siehe Foto), die während seines Gastaufenthaltes in Potsdam entstanden, sowie Fotografien aus der Reihe „Point Blank“, auf denen Kameras den Moment ihrer eigenen Zerstörung durch eine Pistolenkugel bildlich festhalten.
Bei der hier abgebildeten Fotografie „Window of the World“ nahm die in der Mitte plazierte Kamera zwei Richtungen eines annähernd symmetrisch gebauten Objekts gleichzeitig auf. Bei näherem Hinsehen entdeckt man scheinbar verwackelte Linien und andere Effekte, die durch das nicht ganz exakte Übereinanderliegen von Details oder Unregelmäßigkeiten im Steinverband entstehen. Die undefinierbare Oberfläche des Bildes führt den Betrachter aus der Sackgasse des Definierten und seinem normalerweise auf einen Standpunkt fixierten und gerahmten Blick und wird gerade deshalb zum „Fenster der Welt“.
Dieser Ansatz ist typisch für Pippin. Bei vielen seiner Arbeiten steht das Interesse am Prozeß und der konzeptuellen Durchdringung einer Fragestellung vor dem am fertigen Produkt – dem Betrachter ein – auf den ersten Blick – extrem langweiliges Bild vorzusetzen, drückt das ironisch, aber nie zynisch erscheinende Understatement aus, mit dem Pippin uns ein freundliches Angebot macht: Nimm nur so viel mit, wie Du willst. Damit gelingt es dem scheuen und geduldigen Künstler uns das 180°-Gegenteil von dem vorzuhalten, was wir täglich an Bildern sehen.