Bosnien und Herzegowina, Literatur, 2023

Lana
Bastašić

Foto: Jasper Kettner

„I don’t spend time considering myself“, antwortet Lana Bastašić, wenn man sie fragt, welches Land, welche Sprache, welches Stück Welt sie als das ihre beanspruchen würde. Dass sie keine Zeit darauf verschwendet, sich in die Schubladen der Identität und Nationalität stecken zu lassen, kann man anhand ihrer Biografie nachvollziehen: 1986 im kroatischen Zagreb geboren und im bosnischen Banja Luka aufgewachsen, lebt sie nach einer mehrjährigen Zwischenstation in Barcelona nun im serbischen Belgrad. Nur allzu gern wird ihr deshalb das Etikett „postjugoslawische Autorin“ angeheftet.

Ein kurzer Blick auf ihr Werk zeigt so viel mehr. Vor allem Fragen von Weiblichkeit werden hier verhandelt, universell und jenseits von Alter, Nationalität und Klasse. Fragen nach weiblicher Performance, nach der Gültigkeit und dem Aufbrechen anachronistischer Geschlechterrollen. In ihrem Debütroman Uhvati zeca (2018, dt. Fang den Hasen, übers. von Rebecca Zeinzinger, S. Fischer, 2020) schreibt sie von einer komplexen, manchmal traurigen, unfassbar innigen, oft witzigen und gelegentlich vor Wut aufbrausenden Frauenfreundschaft. All das vollzieht sich vor der komplexen Kulisse des postjugoslawischen Balkans, doch Bastašić zieht noch ganz andere Register, zerlegt Lewis Carrolls Klassiker Alice im Wunderland und konstruiert ihren Roman an dessen Struktur entlang. Entstanden ist ein kleines Wunder, das die Leserin verändert zurücklässt.

Auch in ihrer aktuellen Kurzgeschichtensammlung Mliječni zubi (2020, dt. Mann im Mond, übers. von Rebecca Zeinzinger, S. Fischer, 2023) tauchen sie immer wieder auf: Frauen und Mädchen, Mütter, Töchter und Schwestern, die uns aus den Buchseiten entgegentreten. Frauen – das zeigt Lana Bastašić – müssen sich auch heute noch vieles erkämpfen, egal in welchem Teil der Welt. Dabei lässt die Autorin jedoch nie Menschlichkeit, Humor und Zartheit aus dem Blick, zeichnet Frauen voller Wut, aber auch voller Liebe. Böse wird sie nie in ihren Texten, auch wenn ihre Heldinnen Grund genug dazu hätten.

2021 veröffentlichte sie ein schmales Tagebuch, Crveni kofer („Der rote Koffer“), in dem sie die Zeit während des Lockdowns nachzeichnet, die sie in einer Autorinnenresidenz in Zürich verbrachte, während daheim ihre Großmutter an Covid stirbt und ein Abschied nicht mehr möglich ist. Der rote Koffer ist Lana Bastašićs Vermächtnis – ein Erbstück, aber auch ein Symbol für all das Gepäck, das wir mit uns herumschleppen, für ihre eigenen Reisen, ihre Wege und Serpentinen. Auch hier lässt sich die tiefe Menschlichkeit dieser Schriftstellerin ablesen, die es mit scheinbarer Leichtigkeit schafft, ein Tableau sämtlicher Facetten des Lebens zu erstellen, um es auf uns, ihre glücklichen LeserInnen, wirken zu lassen.

Text: Rasha Khayat

Vergangen

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