Tracey
Rose
Tracey Rose gehört gewissermaßen zu einer „zweiten Generation“ feministischer Kunst, haben doch Künstlerinnen wie Valie Export und Judy Chicago, Marina Abramovic und Adrian Piper ihre feministische Arbeiten bereits in den 1960er und 70er Jahren entwickelt. So verwundert es kaum, dass Rose sich mit ihrer Kunst des Öfteren auf diese Vorbilder bezieht. Wie bei diesen, so steht auch in den Performances, Photographien, Installationen und Filmen von Tracey Rose der weibliche Körper im Zentrum.
In ihrem Video „Ongetiteld (Untitled)“, 1998, das mit einer Überwachungskamera gefilmt wurde, z. B. ist zu sehen, wie die Künstlerin ihre gesamte Körperbehaarung abrasiert. Dieses ästhetische Spiel im Rahmen eines prekären „Sehen und Gesehenwerden“ ist, wie ihr Werk überhaupt, in den Kontext der Identitätspolitiken einzuordnen, die kritisch, aber auch mehr oder weniger lustvoll über die gesellschaftspolitischen Probleme von Gender und Rasse reflektieren.
In späteren Arbeiten nutzt Tracy Rose in Performances und Videos, in denen sie oftmals selber mitspielt, häufig das Mittel der theatralischen Travestie und Satire. Die „Volkskulturen“ Travestie und Satire behauptete ja schon der russische Kulturkritiker Michail Bachtin als einzig mögliche Formen kritischer Äußerung, als einzig mögliche „Gegenkultur“ unter nicht freiheitlichen Bedingungen. Dass die gesellschaftliche Stellung der Frau auch heute noch keine selbstbestimmte ist, artikuliert Rose mit dem Einsatz ihrer karnevalesken Stilmittel präzise. Mit ihren fast schon klamaukartigen Inszenierungen in einer auch schon mal punkigen „Do it yourself“-Ästhetik unterbietet sie zudem gezielt ästhetische Standards.
Dadurch widerspricht die Künstlerin eben den Konventionen, die eigentlich im professionellen, immer noch von Männern dominierten Kunstbetrieb verabredet sind.
Ein gutes Beispiel für diese künstlerische Strategie ist Roses Videoinstallation „Ciao Bella“, 2001, das auf der 49. Venedig Biennale zu sehen war. Die 13 minutenlange Dreikanal-Projektion stellt eine feministische Parodie von Leonardo Da Vincis legendärem Gemälde „Das Abendmahl“ (1495 – 98) dar, spielt selbstverständlich aber auch auf Judy Chicagos Installation „The Dinner Party“, 1979, an, einer gleichsam weiblichen Tischgesellschaft für 39 historische und mythologische Frauenfiguren. Auch Tracey Rose präsentiert in „Ciao Bello“ eine rein weibliche Tischgesellschaft, die sich aus von der Künstlerin gespielten Protagonistinnen wie etwa Vladimir Nabokovs „Lolita“, Marie Antoinette oder Ilona „Cicciolina“ Staller, der zeitweiligen Muse Jeff Koons, zusammensetzt. Insgesamt 12 Charaktere treten da in einer subversiven Dramaturgie auf, die ein Ensemble von Frauenrollen inszeniert, die MANN dem weiblichen Geschlecht in den westlichen Gesellschaften auf den Leib zu schneidern versucht hat.