Kolumbien, Bildende Kunst, 2011

Danilo
Dueñas

Seine Materialien findet der Künstler Danilo Dueñas, geboren 1956 in Cali, Kolumbien, im Alltag: Neonlichtröhren, Autoreifen, rohes Bauholz, Treppendielen, intakte oder zerlegte Möbel, Verpackungsmaterialien, oder Sperrmüll. Diese Dinge fügt Dueñas, der heute in der kolumbianischen Hauptstadt Bogotá lebt und arbeitet, zu
raumfüllenden Konstruktionen in fragil erscheinender Balance. Wie durch Geisterhand findet sich die Objektwelt in eine neue Ordnung. Kunstbetrachtung als Einladung zur Spekulation: welche Konstellationen und Ordnungen sind möglich jenseits des Gegebenen?

Dennoch ist der „Aufstand der Dinge“, wie Dueñas ihn inszeniert, kontrolliert-diskret: „An die Stelle der weggezogenen Dinge rückt das Abstrakte nach“ (Hartmut Böhme). Die Herstellung von Abstraktion, die im Dinglichen und seiner Neu-Ordnung wurzelt, erscheint jedoch nicht
als Akt von Wildheit oder unwillkürlicher Unordnung: sie folgt im Raum und auf der Fläche einer eigentümlichen Geometrie. Dueñas führt in seinem Werk vor, was es heißen kann, die Dinge und ihr Verhältnis noch einmal grundlegend anders zu denken. „Die Verzahnung von scheinbar unzusammengehörigen Materialien ist geplant,“ schreibt der Künstler und Kunsttheoretiker Gean Moreno über das Werk von Dueñas, „die Geometrien sind die Frucht langer Überlegungen. So zusammengebastelt Dueñas’s ,Bilder‘ auch scheinen – sie sind die Werke eines Kontroll-Freaks. Tatsächlich führt die Gratwanderung zwischen improvisatorischem Einfallsreichtum und zwanghafter Exaktheit zu ihrem Kern.“

Man kann Danilo Dueñas zu einem Vertreter der „materialistischen Linie der kolumbianischen geometrisch-Abstrakten“ (Moreno) erklären, doch das sagt relativ wenig über die eigentümliche Qualität der von ihm entworfenen skulpturalen Situationen. Wie ein großes, erlegtes Tier liegt etwa das „Piano Herido“ (2009), das „verwundete Piano“ rückseitig auf dem Boden und erweist dem berühmten Beuys’schen Fluxus-Konzertflügel seine Reverenz, indem es auf die Möglichkeiten ästhetischer Erfahrung jenseits seiner Funktion als Instrument deutet. Mit unterliegenden Filzdecken wirkt es trotz des dramatischen Titels nicht ernsthaft beschädigt, sondern eher sorgsam de-funktionalisiert. Eine sanfte Sabotage der gewohnten Ordnung hat stattgefunden: der künstlerische Eingriff in die Dingwelt erscheint einfach und durchschaubar und ist dennoch (oder gerade deswegen) von großer Wirkung auf den Betrachter.

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