Tadasu
Takamine
Tadasu Takamine, geboren 1968 im japanischen Kagoshima, begann als Darsteller bei der seit den 1980er Jahren existierenden, einflussreichen japanischen Multimedia-Performance-Gruppe Dumb Type. Seit über einem Jahrzehnt ist er nun selbstständig als Regisseur und Künstler aktiv, und hat sich einer Theaterpraxis verschrieben, die er in Workshops im Dialog mit lokalen Teilnehmern experimentierend entwickelt. Sowohl im Theater wie auch in künstlerischen Projekten setzt er sich auf provokative Weise und mit düsterem Humor mit bohrenden gesellschaftlichen Fragen auseinander.
Bereits im Titel seines jüngsten Ausstellungsprojekts „Cool Japan“ (2012) wird dies ablesbar: er bezieht sich damit auf die 2011 gelaunchte Marketingkampagne Japans, Cool Japan. Angesichts der ökologischen Auswirkungen der Reaktorkatastrophe in Fukushima, Eigenschaften wie die „Coolness“ oder Gelassenheit der Japaner zu bewerben, verdeutlicht die politischen Bestrebungen der Instrumentalisierung der Bevölkerung im Rahmen der Image-Kampagne. Zu dem Versuch der Regierung, quasi im Windschatten der Katastrophe Einfluss auf die kollektive und individuelle Identität zu nehmen, äußerte sich der Künstler in einem Interview: „Es gibt viele Dinge, die überhaupt nicht in unser Bewusstsein eindringen – vielleicht weil wir geschickt manipuliert werden, auf eine Weise die uns daran hindert, diesen Dingen zu viel Aufmerksamkeit zu schenken. Endlich finden wir uns nun in der Situation, dass wir tatsächlich mit der Erfahrung dieser Dinge konfrontiert werden.“
Auch in seiner wohl bekanntesten Arbeit, dem verspielten Video „God Bless America“ (2002) bearbeitete Takamine ein wirksames System von Kontrolle und kultureller Einflussnahme. In einer Stop-Motion Animation sieht man den Künstler und seine Assistentin in einem blutroten Raum einen riesigen Kopf aus Ton kneten, so, dass dieser das Titellied zu singen scheint. Interessanter aber, als der vage an George W. Bush erinnernde, singende Riesenkopf ist allerdings der Künstleralltag der sich hinter ihm abspielt: in hektischem Zeitraffer wird da gegessen, ferngesehen und geschlafen, auch miteinander. Damit schuf der Künstler kurz vor dem Irakkrieg ein Bild für den Alltag im Schatten weniger der Anschläge des 11. September, als den durch die amerikanische Politik dadurch begründeten öffentlichen Selbstdarstellungen und Machtdemonstrationen, und der Unmöglichkeit sich ihnen als Individuum zu entziehen.
Auch die wohl umstrittenste Videoarbeit des Künstlers, „Kimura-San“ (2004) behandelt das Thema der Möglichkeiten individueller Selbstbestimmung. Die Videoinstallation kreist um ein Opfer des Morinaga Skandals, bei dem in den fünfziger Jahren 138 Säuglinge an mit Arsen vergifteten Milchprodukten starben, Herrn Kimura, der keine Kontrolle mehr über seinen Körper hat, und nicht sprechen kann. Der Künstler übernahm für fünf Jahre dessen Pflege, setzte sich in seinem Video mit dem Sexualleben des Gepflegten auseinander, und wirft dabei allgemeine Fragen zur Sexualität Behinderter, wie auch deren Darstellung und Thematisierung auf. Takamine spricht dabei auch die Courage Kimuras an, seine Machtlosigkeit öffentlich zu machen. Sein Video interpretiert Kimuras Umgang mit seiner Sexualität als eine gesellschaftliche Metapher dafür, Herausforderungen anzunehmen, und als ein Plädoyer für gesellschaftliche Verantwortung.
Text: Andreas Schlaegel