Tschechische Republik, Literatur, 2004

Petr
Borkovec

Petr Borkovec, geboren 1970 in Louňovice pod Blaníkem in Mittelböhmen, lebt als Dichter, Übersetzer (u.a. russischer Lyrik und antiker Dramen) und Kulturredakteur in Černošice bei Prag. Wie keinem anderen Autor seiner Generation wird ihm von der Kritik die souveräne Handhabung tradierter dichterischer Mittel und die frühzeitige Entwicklung einer markanten Stimme bescheinigt, die auf eigenständige Weise in der Nachfolge der bedeutendsten Lyrik des 20. Jahrhunderts steht – so urteilt DIE ZEIT: „Ein junger Prager Dichter von stiller Perfektion“.

Petr Borkovec erhielt 1995 den renommierten Jiří-Orten-Preis sowie 2002 den Hubert-Burda-Preis und den Norbert-C.-Kaser-Preis. 2003 hatte Borkovec die Poetikdozentur an der TU Dresden inne. Seit 1990 hat Borkovec sieben Gedichtbände vorgelegt: „Prostírání do tichého“ (Ausbreitung ins Stille, Prag, 1990), „Pousterna, vestírna, loutkárna“ (Eremitage, Orakelstätte, Puppenremise, Prag 1991), „Ochoz“ (Umgang, Prag, 1994), „Mezi oknem, stolem a postelí“ (Zwischen Fenster, Tisch und Bett, Prag, 1996), „Polní práce“(Feldarbeit, Prag, 1998), „Needle-Book“ (Nadelbuch, Prag, 2003).

Auf Deutsch liegen die zweisprachigen Auswahlbände „Aus drei Büchern“ (1995) und „Überfuhr“ (1996) vor, die als bibliophile Drucke in der Buchwerkstatt Thanhäuser in Ottensheim an der Donau erschienen. 2001 erschien, ebenfalls von Christa Rothmeier übersetzt, bei der Edition Korrespondenzen der Gedichtband „Feldarbeit“, ein Tagebuch aus den 90er Jahren aus dem Prag der Peripherie mit seinen Plattenbausiedlungen und dem Villenvorort Černošice, wo der Autor wohnt. „Nadelbuch“ (2004) ist eine subtile Annäherung an die Welt der Mutter und der Großmütter.

Leise und lakonisch dokumentiert Borkovec in seinen Gedichten die Zeit des Umbruchs in den Prager Vorstädten. Er macht prekäre Momentaufnahmen des Alltäglichen, so Ilma Rakusa, und über die Dingwelt legt sich dabei ein morbider Zauber. Während Borkovec von alltäglichen Gegenständen und privaten Räumen erzählt, wirft er zugleich einen sezierenden Blick in das modernde Interieur Europas: Die Welt erscheint als Zwischenreich im Zustand des Verfalls, überzogen vom Firnis einer eigenwilligen dichterischen Sprache.

„Petr Borkovec aus Prag ist ein Lyriker, der sich auf den Weg macht, um die ungeahnten, ahnbaren Welten in Sprache zu bringen. Er ist einer jener Stillen, der sich dem fordernden Andrang des Welt-Getöses entzieht und in Innenwelten hinabsteigt. Unbeirrbar sucht er eine Sprache, um die Seele zum Klingen zu bringen. Diese Lyrik wirkt wie aus unserer Zeit gefallen, weil sie sich nur ihrer eigenen, inneren Zeit verpflichtet fühlt.“ (Salzburger Nachrichten)

Borkovecs Gedichte aus den Jahren 1990 bis 1996 liegen in dem Band „Fünfter November und andere Tage“ (2006) vor. Der lyrische Spaziergänger durchwandert eine Dorfwelt, doch bei weitem keine romantische Idylle, sondern eine unwirtliche, monotone Landschaft, in der Häuser, Türme, Bäume fremd zum Himmel ragen: „Mehr nicht, nichts Anvertrautes, abermals Regen.“

„Petr Borkovec ist kein lockerer Rhetoriker oder Wortverschwender, eher ein Lyriker der gedrängten Prägnanz.“ (FAZ)

Veröffentlichungen in deutscher Übersetzung

Aus drei Büchern.
Aus dem Tschechischen von Christa Rothmeier. Buchwerkstatt Thanhäuser, Ottensheim an der Donau 1995

Überfuhr.
Aus dem Tschechischen von Christa Rothmeier. Buchwerkstatt Thanhäuser, Ottensheim an der Donau 1996

Feldarbeit.
Edition Korrespondenzen, Wien 2001

Feldarbeit
(CD). Petr Borkovec und Otto Sander lesen Petr Borkovec. Edition Korrespondenzen, Wien 2001

Nadelbuch.
Edition Korrespondenzen, Wien 2004

Fünfter November und andere Tage.
Gedichte 1990-1996. Aus dem Tschechischen von Christa Rothmeier. Edition Korrespondenzen, Wien 2005

Amselfassade. Berlin-Notate.
Prosa und Gedichte. Aus dem Tschechischen von Christa Rothmeier. Friedenauer Presse, Berlin 2006

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