Irena Vrkljan: Im Gegenlicht
12.10.2024 – 13.10.2024
Mit: Slavenka Drakulić (online), Marko Pogačar und Leon Rizmaul
„Berlin 1966. Die Filmakademie in der Pommernallee. Ich war sechsundreißig. […] Die Filmakademie war der fremdeste Ort meines Lebens. Die Gänge mit Neonlicht, glänzendem, kaltem Linoleum, die jungen Leute herrisch, verwöhnt, geschlechtslos.“ (Irena Vrkljan: Marina, im Gegenlicht)
Irena Vrkljan (geboren 1930 in Belgrad, gestorben 2021 in Zagreb) war eine äußerst produktive Schriftstellerin, Hörbuch- und Fernsehautorin, Filmemacherin und Übersetzerin, die sich im Leben wie im Schreiben zwischen Deutschland und Jugoslawien bzw. Kroatien bewegte. Sie hat ein zweisprachiges, reiches, ästhetisch und politisch bedeutsames Werk hinterlassen, mit dem sich in Deutschland und (Ex-)Jugoslawien sehr unterschiedliche Rezeptionsgeschichten verbinden, das in seiner spartenübergreifenden Vielfalt jedoch noch weitgehend unerschlossen ist.
Als Irena Vrkljan 1966 von Zagreb nach Berlin zog, um an der neu gegründeten Film- und Fernsehakademie (DFFB) zu studieren, war sie nicht nur deutlich älter als die meisten in diesem später legendären ersten Jahrgang, sondern sie brachte auch eine Lebenserfahrung mit, die für eine gewisse Distanz zu ihren Kommiliton*innen sorgte. Sie hatte NS-Besatzung und Krieg in Belgrad und Zagreb erlebt und im nun sozialistischen Jugoslawien als Dichterin und Fernsehautorin bereits einen Namen und ein Auskommen gehabt. „Berlin 1966“ bedeutete also das Wagnis eines Neuanfangs im Exil, zudem in einer Stadt, die von den Spuren des Krieges und der Barbarei noch vielfach gefurcht war. Das Studium an der DFFB wurde Irena Vrkljan durch ein Stipendium des Berliner Künstlerprogramms (BKP) des DAAD ermöglicht und zwar in der Sparte „Literatur“. Das Schreiben blieb für ihr Werk ohnehin zentral: Übersetzungen, Prosa, Gedichte, bald das erste Hörspiel, eine kontinuierliche Auseinandersetzung mit ihrem Leben „zwischen Süd und West“, wie sie später einen ihrer Romane betitelte.
Die Kurator*innen Borjana Gaković und Tobias Hering haben ein zweitägiges Programm konzipiert, das eine erste Annäherung an den Facettenreichtum ihres Werkes ermöglicht und dabei von der persönlichen Zäsur „Berlin 1966“ ausgeht. Mit Exponaten, einem einführenden Vortrag, einer Lesung, einem zweiteiligen Filmprogramm und kontextualisierenden Gesprächen mit Gäst*innen aus Zagreb – den ehemaligen BKP-Fellows, Schriftsteller*innen Slavenka Drakulić und Marko Pogačar sowie dem Regisseur Leon Rizmaul – werden in der daadgalerie und im fsk-Kino sowohl die Arbeiten und Kontexte der frühen Zagreber Jahre vorgestellt, darunter zwei Folgen der von ihr etablierten TV-Kulturserie Portreti i susreti (dt. Porträts und Begegnungen), als auch die vier Filme, die Irena Vrkljan in Berlin realisierte.
Programm:
12.10.2024, daadgalerie, Oranienstraße 161
Eintritt frei
In Original- und englischer Sprache
15:00 – 16:00 Uhr
Begrüßung und Einführung
Borjana Gaković und Tobias Hering
16:30 – 18:30
Filmprogramm und kontextualisierendes Gespräch mit Leon Rizmaul (Zagreb)
Irenino ogledalo / Irena`s Mirror (HRV 2016), Regie: Leon Rizmaul, 9 min, OmeU
Gradovi sanjaju ljude / Towns Dream of People (YU 1966), Portreti i susreti ( Porträts und Begegnungen, Radiotelevizija Zagreb), Regie: Ante Viculin, Szenario: Irena Vrkljan, 14 min, OmeU
Četiri zida oko mene / Four Walls Around Me (YU 1965), Portreti i susreti ( Porträts und Begegnungen, Radiotelevizija Zagreb), Regie: Ante Viculin, Szenario: Irena Vrkljan, 16 min, OmeU
19:00 – 20:30 Uhr
Irena Vrkljan, „Tochter zwischen Süd und West“
Gespräch über Vrkljans literarisches Werk mit Slavenka Drakulić (online) und Marko Pogačar
13.10.2024, fsk-Kino am Oranienplatz
Eintritt frei
In Original- und englischer Sprache
14:30 – 17:30
Filmprogramm und Lesung, mit Borjana Gaković und Tobias Hering
Widmung für ein Haus (1966)
Faroqhi dreht (1967)
Berlin unverkäuflich (1967)
Berlin (1969)
Berlin unverkäuflich (BRD 1967) und Berlin (BRD 1969) wurden 2024 im Rahmen des von digiS (Forschungs- und Kompetenzzentrum Digitalisierung Berlin) geförderten Archivprojekts des BKP in Zusammenarbeit mit der Deutschen Kinemathek digitalisiert und wird in diesem Kontext zum ersten Mal in der digital restaurierten Fassung von 2024 gezeigt and will be shown in this context for the first time in the digitally restored version from 2024.
Foto (oben): Dario Njavro (HRT)