Großbritannien, Bildende Kunst, 1996

Jane und Louise
Wilson

Die britischen Zwillinge Jane und Louise Wilson (geb. 1967 in Newcastle) arbeiten seit 1989 als Künstlerduo zusammen. Als Schwestern – auch im Geiste – erhielten sie 1995 den Preis des Kunstvereins Hannover, ein zusammen mit dem Berliner Künstlerprogramm des DAAD (BKP) vergebenes Jahresstipendium. Dies ermöglichte es ihnen, 1996 sechs Monate in der Villa Minimo in Hannover und sechs Monate in Berlin zu arbeiteten.

Während ihres Stipendiums in Berlin entstand Stasi City (1997), eine Arbeit über die physische und psychologische Bedeutung von Räumen, die wirkmächtig den menschenverachtenden Machtapparat der DDR evozierte. Im Zentrum der aus der Arbeit hervorgegangenen Ausstellung standen zwei Doppelwandprojektionen. Zusätzlich wurden großformatige Farbfotografien mit Raumansichten der Drehorte sowie nachgestellten Filmsets gezeigt. Die Wilson-Schwestern filmten in drei Räumen des einstigen Machtzentrums der Stasi in Ost-Berlin – im Volksmund auch „Stasi-Stadt“ genannt –, die fast unverändert geblieben waren: im Ministerium für Staatssicherheit, im Paternoster eines Bürogebäudes in der Jägerstraße und in der ehemaligen Stasihaftanstalt Hohenschönhausen.

Die Arbeit legt offen, wie stark politische Ideologie mit der Architektur, insbesondere Ost-Berlins, verbunden war. Jane und Louise interessierten sich für die psychologische Komponente von Architektur. Was sagt sie über die Leute aus, die in ihr gelebt und gearbeitet haben? Wie wurden die Menschen von ihrer Umgebung beeinflusst und was haben sie hinterlassen? Die Schwestern waren fasziniert von Machtstrukturen in der Architektur von Behörden und wie diese unterschwellig Angst hervorrufen kann.

Der Blick der Wilsons lag dabei auf den Büroräumen und der dem Gefängnis angeschlossenen Krankenstation. Schallgeschützte Doppeltüren, versteckte Hinterzimmer, Panzerschränke und Überwachungsmonitore erzählen ihre ganz eigene Geschichte. Der persönliche und gleichzeitig distanzierte Blick der Künstlerinnen zeugt von der beklemmend-pedantischen und grausam-bürokratischen Atmosphäre, die in den Räumen zu Stasi-Zeiten geherrscht haben muss. Die Videoproduktionen zeigen Innenräume, die als Orte einer unpersönlichen Öffentlichkeit eine bedrückende Stimmung erzeugen. Die Arbeit wurde in Zusammenarbeit des Kunstvereins Hannover mit dem BKP zunächst in Hannover, dann in Berlin und anderen Städten gezeigt. Es handelte sich um ihre erste Einzelausstellung in Deutschland und stellte ihr bis dato aufwendigstes Projekt dar.

Im Zentrum ihrer Kunst steht oft der weibliche Körper, traktiert und gefangen in ausweglosen Horror-Szenarien. Ihr Werk Normapaths (1995) wurde in einer alten Bierbrauerei gedreht und spielte mit den Gangster- und Horrorgenres der 1930er Jahre. Es ist auch ein Spiel mit Rollenzuschreibungen, denen zufolge Frauen das Paradox in sich vereinen, gleichzeitig gewalttätig und unfähig zur Aggression zu sein. Die Arbeit legt damit auch die Spannung zwischen Frauen als Opfern und als starken Persönlichkeiten offen. 

Die aufsehenerregenden Video- und Fotoinstallationen der Schwestern wurden auf der ganzen Welt gezeigt und gefeiert, beispielsweise auf der Venedig Biennale, im Stedelijk Museum, Amsterdam, in der Serpentine Gallery, London, und im Museum of Modern Art, New York.

Text: Laura Windisch

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