Allan
Kaprow
Allan Kaprow (geb. 1927 in Atlantic City; gest. 2006 in Encinitas bei San Diego) war 1975 Gast des Berliner Künstlerprogramms des DAAD (BKP). Der Namensgeber des „Happenings“ hatte den Abstrakten Expressionismus der 1950er Jahre und insbesondere Jackson Pollock, mit dem er sich auch theoretisch befasst hatte, durch aktionistische Collagen und „Environments“ überwunden. Das „In das Bild hineintreten“, das Pollock mit seiner dripping-Technik praktizierte, übertrug Kaprow in den dreidimensionalen architektonischen Raum, womit er auch als Vater der Installationskunst gelten kann. Die Materialien seiner stets temporären Environments und Happenings waren billig und stammten von der Straße, was den transformativen Charakter seiner Arbeit betonte. Gleichzeitig war für ihn, beeinflusst durch John Cage, der partizipatorische Aspekt wichtig: die aktive Beteiligung der ZuschauerInnen am oder im Werk. Mit den Happenings verließ Kaprow die traditionellen Orte der Kunst und bespielte Ladengeschäfte, Turnhallen und Parkplätze. Mit Arbeiten wie Communication Happening (1958), 18 Happenings in 6 Parts (1959), Chicken (1962), Eat (1964) oder Fluids (1967), und den Environments Untitled Environment (1958), Yard (1961) – wofür er den Hinterhof der Galerie Martha Jackson in New York mit Hunderten alter Autoreifen füllte und das Publikum einlud, sich darin auszutoben – und Words (1962) hatte Kaprow zum Zeitpunkt seines DAAD-Stipendiums bereits seine wichtigsten Werke geschaffen und seine Aktionen von publikumswirksamen Veranstaltungen hin zu spontanen „Activities“ für eine kleine Zahl von TeilnehmerInnen verändert. Dazu zählt auch die Aktion A Sweet Wall, die er am 11. November 1970 auf Einladung von René Block auf einem brachliegenden Stück Mauerstreifen in der Nähe des Potsdamer Platzes durchführte. Zusammen mit dem Galeristen und einer kleinen Gruppe von KünstlerkollegInnen wurden Ziegelsteine zu einer circa 30 Meter langen, nicht ganz mannshohen Mauer aufgeschichtet. Als Kitt dienten mit Erdbeermarmelade beschmierte Brotscheiben. Nach ihrer Errichtung wurde die Mauer noch am selben Nachmittag von den Beteiligten gemeinsam wieder zu Fall gebracht. Der Künstler KP Brehmer filmte die Aktivität, die nahezu ohne Publikum stattfand und von Kaprow später als „politische Parodie“ bezeichnet wurde. In Zusammenarbeit mit dem BKP entstand 1976 das Künstlerbuch Sweet Wall / Testimonials mit Abbildungen von Zeichnungen Kaprows sowie Schwarz-Weiß-Fotografien von Dick Higgins und Lee Ottinger zur gleichnamigen Ausstellung in der Galerie René Block. 1973 nahm Kaprow mit dem Happening Time Pieces an ADA Aktionen der Avantgarde. Environments, Happenings, Prozesse, Aktionen, Video teil, einer Veranstaltung des Neuen Berliner Kunstvereins (NBK) mit dem BKP und den Berliner Festspielen – die Videodokumentation ging in die 1971 gegründete Videothek des NBK ein. Am 22. und 23. Mai 1976 führte Kaprow im Rahmen der „pro musica nova“-Tage von Radio Bremen in Kollaboration mit der Kunsthalle Bremen und dem BKP das Eis-Happening Durations durch, wofür bis zu drei Meter hohe Eissäulen auf einem Acker aufgestellt wurden. Ebenfalls mit Unterstützung des BKP entstand in Berlin der Film Warm Ups.
Kaprows Happenings wurden von zahlreichen wichtigen Institutionen realisiert, darunter das Museum of Modern Art, das Walker Art Center, und die documenta 6 sowie 8. 2006 zeigte das Haus der Kunst in München eine umfangreiche Retrospektive seiner Werke. Das Happening Fluids, das erstmals 1967 an mehreren Orten in Kalifornien entstand, wurde 2015 auf der Terrasse der Neuen Nationalgalerie in Berlin wiederaufgeführt: Eine rund 9 × 3 Meter umfassende, 2,4 Meter hohe Struktur aus Eisblöcken wurde von HelferInnen errichtet und nach der Erbauung sich selbst überlassen, bis nichts mehr übrig war.
Text: Eva Scharrer