Großbritannien, Bildende Kunst, 2015

Ed
Atkins

Installation view: Ed Atkins, 'RIBBONS', Galerie Isabella Bortolozzi, Berlin, 22.11.14 - 24.01.15 Courtesy the artist, Galerie Isabella Bortolozzi Berlin and Cabinet London (Photo: Nick Ash)

HD-computergenerierte Bilder, 3d-Animationen und Motion-Capture-Verfahren, aufwendige Soundtracks, perfekte Montage und eine eindringliche, perfekt aufgenommene Stimme, die über allem schwebt —. Ed Atkins Videoinstallationen verbinden auf bisher noch nicht gesehene Weise einen feinsinnigen Umgang von Sprache mit der Anwendung neuester Videoverfahren. Damit zählt Atkins zu den spannendsten Vertretern einer jüngeren Künstlergeneration, die Subjektivität in unserer Gegenwart neu denken.

Meist nehmen diese Videoarbeiten, die flankiert von zeichnungen und drucken im zentrum von Atkins werk stehen, Avatare als Ausgangspunkt — künstliche Menschen, Stellvertreter aus bits und bytes, denen Atkins seine Bewegungen und seine Stimme leiht. allen technischen Finessen und Produktionswerten zum trotz, scheinen Atkins’ Figuren — mit ihren zwar eindeutigen Charakterzügen, aber doch allzu glattem Finish — aber direkt dem sogenannten »uncanny valley« zu entstammen. mit diesem Ausdruck bezeichnet man in der robotik die Tatsache, dass die Akzeptanz von Bildern künstlicher Menschen gerade nicht linear entsprechend zum jeweiligen Grad des Anthropomorphismus steigt. Akzeptiert werden entweder grafisch abstrakte und vereinfachte oder hyperrealistische Darstellungen — dazwischen aber liegt das »uncanny valley«, in dem — trotz relativer Ähnlichkeit — gerade die Künstlichkeit des abgebildeten wahrgenommen wird.
Diese Avatare also bewegen sich durch aufwendig gestaltete und trotzdem meist karge HD-Szenarien, durch Räume und leere Wohnungen, sie sitzen an Bars oder schweben durch künstlich abstrakte Welten in default-Ästhetik. Mal purzelt ein Kopf ohne Körper in Endlosschleife eine Treppe hinunter, dann wieder hängt ein anderer Kopf freigestellt und sprechend mitten im luftleeren Blue Screen fest. Dort halten sie Monologe über Einsamkeit, über den Wetterbericht, über Alltagsbanalitäten oder die Philosophie der Liebe und Zuneigung. Sie singen Bryan Adams Songs oder lamentieren nihilistisch und besoffen — wie in Atkins’ jüngster arbeit »Ribbons« (2014) — vor ihren Drinks und mit Zigarette im Mundwinkel über den Sinn des Lebens. Und trotz — oder gerade wegen der ausgestellten Künstlichkeit dessen, was man sieht, entwickeln Atkins Videos eine starke immersive Qualität, geht von ihnen der Anschein echter Gefühle aus. Nicht zuletzt hat das mit den Texten zu tun, mit Atkins’ art des Erzählens: ein Vor-Sich-Hinsprechen mit all seinen Umwegen und Sackgassen, mit scheinbar nutzlosen Nebeninformationen, Ablenkungen und dann den wenigen entscheidenden Sätzen dazwischen. Da ist er dann doch noch, der Realitätseffekt. Und das eigentlich Unbelebte wird zum Träger eigenständiger Gefühle.


Text: Dominikus Müller
Kamera/Schnitt: Uli Aumüller, Sebastian Rausch

Vergangen

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