Philippinen, Bildende Künste, 2024, in Berlin

Green
Papaya

links: nach dem Brand in den Räumen von Green Papaya 2020 (Foto: Norberto Roldan) rechts: Roxas City, Baybay Beach 2023 (Foto: Giah De los Reyes)

Green Papaya fungiert auf den Philippinen als eine Art öffentliche Kontaktzone, die den Raum bietet, mit und über bestimmte Communitys Gleichgesinnter zu arbeiten. Das Projekt entwickelt hybride, intermediale Programme, die deutlich andere Impulse geben, als es auf dem freien Markt oder in der der Museumswelt üblich ist. Ohne völlig von Institutionen oder den gängigen Strukturen der Wirtschaft isoliert zu sein, insistiert es auf einer mal polemischen, mal strategischen, mal politischen Abgrenzung. Aus diesem Kontext schöpft Green Papaya Kraft und gibt sie an eine – hoffentlich großzügige und streitbare – Öffentlichkeit weiter.  

Green Papaya entstand als eine von KünstlerInnen initiierte Plattform, die als alternatives und unabhängiges Projekt konzipiert ist und sich aus so aktuellen wie flexiblen Programmen rund um Ausstellungen, Publikationen, Archiven, Unterhaltungen, Workshops und Performances entwickelt hat. Die Modalitäten variierten, da Green Papaya mit einem heterogenen Publikum in je spezifischen Situationen interagierte. In Anbetracht dieser verschiedenen Aktivitäten verschoben sich die Definitionen des „Alternativen“ und des „Unabhängigen“ im Laufe der Zeit, wurden vor Ort immer wieder neu erörtert. Idealisierungen von Autonomie machten Platz für praktische Methoden, mit denen Initiativen unterstützt und der Erwartungshorizont einer kulturellen Ökologie hochgradig mediatisierter Neigungen und Interessen ausgehebelt werden sollten.  

Green Papaya archiviert seine Arbeit, nicht nur um die eigene Geschichte zu dokumentieren, sondern auch, um zu einem nachhaltigeren Diskurs über philippinische Kunst und Kultur beizutragen und so eine größere Dialektik bei der Beurteilung zeitgenössischer philippinischer Kunst zu bewirken. Die große Herausforderung dabei ist, sich in Selbstreflexivität zu üben und die Fähigkeit zu entwickeln, der Öffentlichkeit echte Auseinandersetzungen, Verantwortungsbewusstsein und Ideen zu internem Wandel und dauerhaftem Lernen zu entlocken.  

In vielerlei Hinsicht steht Green Papaya für eine dezidiert skeptische Haltung gegenüber Normen und übt dadurch Druck auf zentrale Nervenverbindungen im künstlerischen Netzwerk aus. Es geht darum, die Annahmen darüber, was es eigentlich bedeutet, kreative Projekte und Organisationen nicht nur ins Leben zu rufen, sondern auch am Leben zu erhalten, zu erweitern, zu erneuern, auszutarieren und umzugestalten. Im Vordergrund dabei stehen eine ethische Methode und ein logistisches Modell, die zusammengenommen der Kunstwelt mehr Dynamik verleihen. Wenn sich Green Papaya zwischen verschiedenen Orten auf dem philippinischen Archipel hin- und herbewegt, erweitert das Projekt damit auch die Kunstwelt. In Roxas City in den Visayas, den zentralen Inseln der Philippinen, wird beispielsweise ein größeres Netz ausgeworfen, in das Menschen aus Wissenschaft, Tourismus, Bildung, ländlicher Architektur, indigenen Communitys und anderem mehr einbezogen werden. Diese Matrix aus sich wandelnden Ökonomien, Strukturen und Poetiken fördert eine flexible Infrastruktur zutage, die in der Lage ist, den Versuchungen der Bürokratie zu widerstehen, der Macht und ihrer Gewalt die Stirn zu bieten und die Freude am kollektiven Handeln zu nutzen. 

Green Papaya ist Teil einer vernetzten Gemeinschaft, die das Überleben und die Widerstandsfähigkeit einer kreativen Welt sicherstellt, weil sie einen offenen Weg einschlägt, ungewöhnliche Bündnisse ermöglicht und sich weigert, so bewährten wie bequemen Schemata zu folgen. Nicht zuletzt eröffnet Green Papaya ein größeres Terrain praktischer Arbeit in einer intellektuellen Landschaft, bietet Möglichkeiten für Experimente, Kritik und Spekulationen in Bezug auf die Kunst selbst und die Gesellschaft, in die sie eingebettet ist. Die Arbeit von Green Papaya zieht Konsequenzen nach sich, die sich aus einer kritischen Beziehung zu hegemonialen Strukturen ergeben, und konstruiert von innen heraus seine eigenen Umstände. 

Patrick Flores 
Übersetzung aus dem Englischen: Anna Jäger 

Dank einer Kooperation mit der Matschinksy-Denninghoff-Stiftung unter dem Dach der Berlinischen Galerie richtet das Berliner Künstlerprogramm erstmals ein Kollektivstipendium aus, das 2024 an das philippinische Kollektiv Green Papaya vergeben wird. Im Jahr 2000 gegründet, ist Green Papaya Art Projects die größte und älteste multidisziplinäre Plattform in den Philippinen. Die unabhängige Initiative unterstützt und fördert Aktionen und Projekte, die sich mit der Produktion, Vermittlung und Präsentation von zeitgenössischen Praktiken in unterschiedlichen künstlerischen und akademischen Disziplinen befasst.

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