Ho
Rui An
Der singapurische Künstler und Autor Ho Rui An (*1990) arbeitet im Grenzbereich zwischen zeitgenössischer Kunst, Film, Performance und Theorie. Sein Interesse gilt im Besonderen Bildern und deren Konstruktion im Kontext von Globalisierung und Politik, allen voran Fragen nach ihrer Entstehung und Verbreitung, aber auch hinsichtlich ihres Verschwindens. Rui An durchforstet historische Archive und die zeitgenössische visuelle Kultur, um die wechselnden Beziehungen zwischen Bild und Macht auszuloten. Er sich z.B. Themen wie der Gastfreundschaft, der partizipativen Demokratie, oder auch spekulativen Zukunftsszenarien.
In seinen diskursiven Performances ruft Rui An verschiedene formale Elemente, Ideen und Figuren auf, um sich so einer Vielzahl von Themen anzunähern. Dabei setzt er sich deutlich ab von der Tradition der „spoken performances“ im zeitgenössischen Tanz und Theater in Singapur oder der Theoretisierung von Kunst, wie sie der sogenannte „pedagogical turn“ postuliert. Auch dem Begriff der „lecture performance“ steht er mit einer gewissen Skepsis gegenüber und bezieht die eigene Praxis stattdessen auf die Tradition des frühen Kinos, als das projizierte Bild von live performances begleitet wurde.
Die Performance DASH (2017) nimmt Unfallaufnahmen sogenannter Dashcams (Armaturenbrettkameras) zum Ausgangspunkt, um das sog. Horizon Scanning der Regierung Singapurs, einer Risikobewertungsanalyse, die auch verschiedene Überwachungsformen beinhaltet, zu thematisieren. Die weite Verbreitung der Dashcam in den vergangenen Jahren hat zu einer Art globalem Unfallregister mit einer riesigen Ansammlung von Bildmaterial im Internet geführt, aus dem sich Ho Rui An bedient. Über das Motiv des Horizon Scanning in Singapur, das Big Data und Szenario-Planung kombiniert, geht der Künstler der Frage nach, wie ein Unfall oder allgemeiner eine Krise in Zeiten von Risikovorsorge und finanztechnischer Absicherung lesbar wird. Rui An versteht Singapur als entscheidenden Knotenpunkt, an dem sich sowohl die elektronischen Kreisläufe des globalen Finanzmarkts, als auch die Routen entrechteter Arbeitsmigranten/innen überschneiden. Singapur wird als ein privilegierter Ort betrachtet, an dem Störungen oder „schwache Signale“, die am Horizont auftauchen, besonders augenscheinlich werden. Von diesem Ort aus entwickelt Rui An eine ebenso fantastische wie spekulative Ökonomie, die er der Öffentlichkeit meist in Rahmen von Live-Performances darlegt.
Ho Rui An hat internationale zahlreiche Projekte realisiert, etwa auf der Jakarta Biennale (2017), der Sharjah Biennial 13 (2017), der Kochi-Muziris Biennale (2014), im Haus der Kulturen der Welt, Berlin (2017), im Jorge B. Vargas Museum und im Filipiniana Research Center, Manila (2017), im NTU Centre for Contemporary Art Singapore (2017), im NUS Museum, Singapore (2016), bei Para Site, Hong Kong (2015), im Hessel Museum of Art und den CCS Bard Galleries, Annandale-on-Hudson (2015) wie auch im Witte de With, Rotterdam (2014). Rui An ist zudem Singapur-Redakteur der Zeitschrift „ArtAsiaPacific“ und hat Beiträge in zahlreichen Publikationen veröffentlicht. Er lebt und arbeitet in Singapur und New York.
Text: Anja Lückenkemper