João
Viana
João Vianas Filme sind poetische, stellenweise surreale Vexierbilder, die sich häufig mit der postkolonialen Gegenwart Afrikas beschäftigen. Der Filmemacher wurde 1966 in der damaligen portugiesischen Kolonie Angola geboren. Nach einem abgeschlossenen Jurastudium an der Universität Coimbra studierte er Film in Porto. Seitdem hat er in verschiedenen Funktionen mit renommierten Filmemachern wie Werner Schroeter, Manoel de Oliveira, José Alvaro, Rob Rombout und Filipe Rocha zusammen gearbeitet.
2007 schrieb er zum Beispiel „Olhos Vermelhos“ für Paulo Rocha, der den ersten Preis der ICA gewann. 2018 präsentiert er wie bereits 2013 gleich zwei Filme auf der Berlinale: Der dreizehnminütige Streifen Madness startet im Kurzfilm-Wettbewerb und der 90 Minuten lange Spielfilm Our Madness im Forum.
Seinen ersten Kurzfilm A Piscina (Das Schwimmbad, 2004) realisierte er 2004 gemeinsam mit Iana Viana. Er lief in Venedig und war bis dato laut Presseberichten der am häufigsten ausgezeichnete portugiesische Kurzfilm überhaupt. Sein folgender Kurzfilm Alfa Ma (2010) lief auf über fünfzig internationalen Festivals und erhielt zehn Preise. A Batalha de Tabatô (Die Schlacht von Tabatô) ist João Vianas 2013 produziertes Langfilm-Debüt, zu dem er parallel auch die Kurzfilm-Auskoppelung Tabatô präsentierte. Die lange Version der im heutigen Guinea-Bissau angesiedelten Geschichte über die Geister des einstigen Bürgerkriegs lief im Forum der Berlinale. Sie erhielt dort eine besondere Erwähnung der Wettbewerbs-Jury. Der Kurzfilm wurde mit dem DAAD-Kurzfilmpreis ausgezeichnet. A Batalha de Tabatô kam in Deutschland, Frankreich und Belgien ins Kino und erhielt weltweit weitere Preise. João Viana ist außerdem einer der Herausgeber der zehnbändigen Enzyklopädie „Dicionário de Cinema Iberoamericano“.
Kritiker verglichen die Eleganz von João Vianas schwarzweißer Bildgestaltung bereits mit Jean-Luc Godard oder dem frühen Jim Jarmusch. Doch magischer Realismus verbindet sich in João Vianas Filmen mit einer beobachtenden, dokumentarischen Herangehensweise. Zu den über fünf Jahre dauernden Dreharbeiten zu A Batalha de Tabatô (2013) in Guinea-Bissau brach der Regisseur aus diesem Grund lediglich mit einem dreiköpfigen Team und ohne Drehbuch auf. Authentizität bedeutet für João Viana keineswegs zwingend Naturalismus: Zum Beispiel spielt Musik eine große Rolle in dem Film und das reale Dorf Tabatô ist für seine Musiker bekannt. João Viana zeichnete vor Ort viele Stunden Musik auf. In seinem Spielfilmdebüt setzt er aber dennoch auf einen eher minimalistischen Einsatz von Musik und ließ die Filmmusik letzten Endes in Portugal von einem Komponisten gestalten.
Dokumentarische Elemente verbinden sich in A Batalha de Tabatô also mit poetischen Kunstgriffen zu einer eindringlichen Erzählung. Die Schatten des portugiesischen Kolonialkriegs etwa färben die sonst schwarzweißen Tableaus beim Showdown des Films jäh in der Farbe des Blutes ein. Bekannte Musiker spielen sich selbst und kämpfen mit ihren Instrumenten eine musikalische Schlacht gegen die Traumata. Verkörpert werden die seelischen Verwerfungen in der Figur des ehemaligen Soldaten Baiu, der nach dreißig Jahren aus dem Exil zurückkehrt, um die Hochzeit seiner Tochter Fatu mit Idrissa, einem bekannten Musiker, zu feiern. Nicht nur in seinem Rollkoffer führt der Alte die Reliquien des Krieges mit sich. Als ihn einmal Kinder mit Spielzeug-Waffen bedrohen, macht er in die Hose. Doch auch die jungen Leute in Guinea-Bissau leiden: Jedes Jahr wirft ein neuer Putsch ihren Alltag auf Null zurück.
Auch von seinem jüngsten Spielfilm Our Madness (2018) produzierte João Viana parallel erneut eine kurze Version, Madness. Beide werden 2018 auf der Berlinale präsentiert: Madness startet im Kurzfilm-Wettbewerb und Our Madness im Forum. Beide Filme umkreisen die Auswirkungen der Vergangenheit im gegenwärtigen Mosambik: In einer dort angesiedelten Psychiatrie träumt Ernania von ihrem kleinen Sohn, Hanic, und ihrem Mann, dem Soldaten Pak. Sie begleitet ihre Träume mit einem ungewöhnlichen Instrument: Ihrem Klinikbett. Ernanias Musikalität erregt die Aufmerksamkeit einer der Krankenschwestern. Eines Tages wird Ernanias Lied im Radio gespielt. Der evangelikale Radio-Priester Rosa besucht daraufhin das Krankenhaus, um Ernania live zu hören. Sie jedoch nutzt diese Gelegenheit, um zu fliehen.
In eleganten Schwarzweißbildern erzählt auch der Kurzfilm Alfa Ma (2010) eine Geschichte über Schuld und dunkle Geheimnisse; diesmal aber ausschließlich auf der persönlichen Ebene: Eine junge Frau besteigt mit ihrem Geliebten einen Hochgeschwindigkeitszug. Während die zwei sich necken und liebkosen, steigt auch ihr Ehemann mit dem gemeinsamen Sohn zu. Unaufhaltsam wie der Zug, in dem sie sich befinden, bewegt sich auch die Frau sich zwischen den beiden Männern hin und her.
Ein versumpftes Freibad dient João Viana in A Piscina (2004) als Sinnbild für das Paradoxon des Lebens: „So wie wir unser Leben genau einmal, von Geburt bis zum Ende, durchmessen, so kreuzen wir auch den Raum eines öffentlichen Swimming-Pools.“ In 16 hypnotischen Minuten begegnen sich allegorisch anmutende Gestalten in einem nahezu trockengelegten Schwimmbad.
In Berlin wird João Viana an einer kurzen und einer langen Version über den Fluss Kuanza arbeiten. Der Fluss entspringt und mündet in Angola. Entlang des Stroms erzählt der in Angola geborene Regisseur auch die Geschichte des Landes.
Text: Maike Wetzel
2018: Our Madness
(Spielfilm, Farbe, 90‘)
2018: Madness
(Kurzfilm, HD, Farbe, 13‘)
2013: A Batalha de Tabatô
(Spielfilm, Schwarzweiß, 83’)
2013: Tabatô
(Kurzfilm, Schwarzweiß, 16‘)
2010: Alfa Ma
(Kurzfilm, Schwarzweiß, 15‘)
2004: A Piscina
(Kurzfilm, Farbe, 12‘)