Krzystof
Penderecki
Krzysztof Penderecki (geb. 1933 in Dębica, Polen; gest. 2020 in Krakau) erhielt 1968 eine Einladung des Berliner Künstlerprogramms des DAAD (BKP) – eine Zeit, in der sich sein Werk von früheren avantgardistischen Experimenten ab- und universelleren Werten zuwandte. Penderecki hatte 1959 beim Festival Warschauer Herbst in Polen debütiert, nachdem er im selben Jahr spektakulär alle drei Preise des zweiten Nationalen Wettbewerbs für junge KomponistInnen – organisiert vom Polnischen KomponistInnenverband (ZKP) – gewonnen hatte. Er hatte drei Kompositionen anonym eingereicht: Strophen, Emanationen und Aus den Psalmen Davids, wobei er jede Partitur in einer anderen Handschrift notierte. Bald darauf nahm Pendereckis Karriere als Avantgarde-Komponist sowohl in Polen als auch im Ausland Fahrt auf. Im Oktober 1960 wurde sein Orchesterwerk Anaklasis bei den Donaueschinger Musiktagen in Westdeutschland uraufgeführt. Die Komposition für zweiundvierzig Streichinstrumente und Schlagzeuggruppen entstand im Auftrag von Heinrich Strobel, dem Musikdirektor des Südwestrundfunks.
Im folgenden Jahr wurde Pendereckis Threnos (Threnodie) – Den Opfern von Hiroshima beim Festival Warschauer Herbst uraufgeführt. Die Komposition wurde mit dem Preis der UNESCO und weiteren internationalen Anerkennungen ausgezeichnet. In den 1960er Jahren feierten zahlreiche weitere seiner Stücke jenseits des Eisernen Vorhangs Premiere: Fonogrammi (Venedig), De Natura Sonoris (Royan), Dimensionen der Zeit und Stille (Wien), Emanationen (Darmstadt), Polymorphia (Hamburg, Berlin) und Fluorescences (Donaueschingen). Während dieser Zeit arbeitete Penderecki auch im Experimentalstudio des Polnischen Radio, wo er Musik für Zeichentrick- und Spielfilme, Dokumentationen und Theater komponierte. Zu den frühen eigenständigen elektroakustischen Kompositionen, die er dort schuf, gehören Psalmus für Tonband (umgesetzt von Eugeniusz Rudnik) und die Radiooper Brygada Śmierci (Todesbrigade) für Stimme und Tonband (umgesetzt von Krzysztof Szlifirski, Eugeniusz Rudnik und Bohdan Mazurek).
Pendereckis Aufenthalt in Berlin in den Jahren 1968/69 fand zwischen den Uraufführungen seiner beiden Schlüsselkompositionen statt. Die Lukas-Passion (vollständiger Titel: Passio et Mors Domini Nostri Jesu Christi Secundum Lucam) wurde im März 1966 in Münster uraufgeführt, noch vor seinem Berlinaufenthalt. Das monumentale Werk für großes Orchester, Sprecher, Sopran, Bariton, Bass, drei gemischte Chöre und einen Knabenchor wurde von Otto Tomek, dem Abteilungsleiter Neue Musik beim Westdeutschen Rundfunk in Köln, anlässlich der 700-Jahr-Feier des Doms zu Münster in Auftrag gegeben. Pendereckis Passion wurde für ihre bemerkenswerten musikalischen Horizonte, die erweiterten stimmlichen und instrumentalen Techniken sowie die neuartigen Klangeffekte gefeiert und mit dem Großen Kunstpreis des Landes Nordrhein-Westfalen ausgezeichnet. Das zweite Stück, Die Teufel von Loudun, war Pendereckis erste Oper, die von Rolf Liebermann, dem Intendanten der Hamburger Staatsoper, in Auftrag gegeben worden war. Sie entstand während Pendereckis BKP-Aufenthalt in Berlin und wurde im Juni 1969 in Hamburg uraufgeführt. Diese Komposition tendierte stärker zu einem expressionistischen, neoromantischen Stil und erhielt eher gemischte Kritiken.
Die kontinuierliche Präsenz von Pendereckis Musik in Deutschland und die anhaltende institutionelle Unterstützung, die er dort erhielt, prägten die polnisch-deutschen Beziehungen der Nachkriegszeit in erheblichem Maß.
Text: Monika Żyła
Übersetzung: Anna Jäger