Ladislav
Kupkovič
Ladislav Kupkovič (geb. 1936 in Bratislava, gest. 2016 in Haste) wurde insbesondere durch die von ihm als „Wandelkonzerte“ bezeichneten Manifestationen bekannt, die er Ende der 1960er Jahre in der Slowakei, in Tschechien und dann auch in Westeuropa aufführte. Kupkovič organisierte simultane und heterogene Musikveranstaltungen, bei denen sich das Publikum frei durch verschiedene architektonische Gegebenheiten sowie den Außenbereich eines Veranstaltungsortes bewegen konnte, während die InterpretInnen mehr oder weniger fest situiert waren.
Kupkovič hatte das Bedürfnis, der Gleichzeitigkeit unterschiedlicher auditiver Ereignisse, die insbesondere das urbane Leben kennzeichnen, eine musikalische Form zu geben und die RezipientInnen aus einer herkömmlichen, passiv verorteten Rolle herauszulösen. Inspiriert wurde er dabei von intermedialen und musiktheatralen Aspekten bei John Cage (etwa Musicircus von 1967) und insbesondere von Karlheinz Stockhausens 1968 für die Darmstädter Ferienkurse entstandenen Gruppenkomposition Musik für ein Haus.
In Westberlin organisierte der Komponist am 6. Januar 1969 in allen Räumen der Akademie der Künste, Berlin, ein mehrere Stunden dauerndes Wandelkonzert, bei dem verschiedene seiner Kompositionen durch das von ihm 1963 gegründete Ensemble Hudba Dneška sowie unter Beteiligung des experimentellen Studios des Rundfunks von Bratislava realisiert wurden. Durch die große Aufmerksamkeit, die diese Veranstaltung auf sich gezogen hatte, lud das Berliner Künstlerprogramm des DAAD Kupkovič für 1970 ein.
Im selben Jahr fanden in Berlin zwei Veranstaltungen statt, mit denen Kupkovič sein Konzept des Wandelkonzerts weiter ausdifferenzierte. Zunächst führte er eine Musikalische Ausstellung durch, mit der er nach eigener Aussage beabsichtigte, die Kategorien Zeit und Raum im Bezug auf bildende Kunst und Musik zu vertauschen. Vom 11. bis 15. März 1970 wurden (erneut in den Räumen der Westberliner Akademie) täglich von 16.30 Uhr bis um 20.30 Uhr neunzehn auf Podesten spielende „Klanghervorbringer“ als Exponate vorgeführt. Die Ausführenden waren quasi Museumsstücke, um die herum sich das Publikum bewegte. Töne, die ein Hornist erzeugte, wurden zusätzlich mit einem Ringmodulator live moduliert. Ebenso beteiligt waren der Schweizer Komponist Thomas Kessler, der auf Band aufgezeichnete Werbe-Jingles aus dem Radio abspielte, und der Rockmusiker Michael Günther, der an seiner Bassgitarre zu hören war.
Bei einer weiteren, von Kupkovič am 15. September des Jahres wieder an der Akademie der Künste (West) ausgerichteten Konzertveranstaltung mit dem Titel Treffpunkt war Michael Günther ebenfalls mit von der Partie. Diesmal trat er jedoch nicht allein auf, sondern mit seiner Band, der Psychedelic-Rock-Gruppe Agitation Free, die im Foyer der Akademie musizierte. Zu den ebenso beteiligten klassischen InstrumentalistInnen gehörten vier mal zwei Schlagzeuger, ein Bläserensemble sowie ein Streichquartett, das auf einem rollenden Podest spielend im Raum bewegt wurde. Und es gab zwei Sprecher, wovon einer zu jeder vollen Stunde mittels eines Kofferradios aktuelle Nachrichten an das Publikum übermittelte.
Darüber hinaus fand am 5. Juni 1970 ein ähnlich konzipiertes Kupkovič-Event im Rahmen der Ruhrfestspiele in Recklinghausen statt. Bis in die späten 1970er Jahre hinein führte der slowakische Komponist, der nach seinem Stipendium beschlossen hatte, zu emigrieren und in der damaligen BRD zu bleiben, weitere experimentelle Musikveranstaltungen in Deutschland durch. Er zog zunächst nach Köln, um 1973 einem Ruf an die Hochschule für Musik, Theater und Medien in Hannover zu folgen. Von der avantgardistischen Musik verabschiedete sich Kupkovič Ende der 1970er Jahre, um bis zu seinem Tod auf vor-moderne Weise tonal zu komponieren.
Text: Thomas Groetz