László
Darvasi
László Darvasi wurde 1962 in Törökszentmiklós, Ungarn, geboren. Seit vielen Jahren lebt er in Szeged, einer Universitätsstadt an der Grenze zu Serbien im Süden Ungarns, und in Budapest. Nach dem Abschluss des Studiums an der Pädagogischen Akademie unterrichtete er bis 1989 an verschiedenen Grundschulen. Danach wandte er sich zunächst dem Journalismus zu. Noch immer schreibt er unter dem Pseudonym Sziv Ernö (Erwin Herz) für eine Szegeder Tageszeitung Fußballreportagen, Fernsehkritiken und Feuilletons.
1990 war er Mitbegründer der Literaturzeitschrift Pompeji, seit 1993 ist er Redakteur der Budapester Wochenzeitung Élet és Irodalom (Leben und Literatur). 1991 veröffentlichte er seinen ersten Gedichtband, seither erschienen in dichter Folge vor allem Prosastücke, darunter Erzählungen, Novellen und der Roman „A könnymutatványosok legendája“ (1999; Die Legende von den Tränengauklern, 2001). Für sein literarisches Werk erhielt Darvasi unter anderem 1996 ein Stipendium des Künstlerhauses Schloss Wiepersdorf, 1997 das Literaturstipendium der Stadt Graz und 2004 zusammen mit seinem Übersetzer Heinrich Eisterer den Literatur- und Übersetzerpreis „Brücke Berlin“. Darvasis Bücher wurden bisher in acht Sprachen übersetzt.
Die unter dem Eindruck der Balkankriege entstandene „Legende von den Tränengauklern“ versammelt Episoden aus den Jahren der türkischen Besatzung Ungarns im 16. und 17. Jahrhundert. Islamische, christliche und talmudische Überlieferungen bilden zusammen mit historischen Tatsachen die Kulisse für ein wunderdurchwirktes und aufrührendes Welttheater, in dessen Mittelpunkt nicht die Großen der Geschichte, sondern fünf geheimnisvolle Gestalten stehen, die mit einem klapprigen Wagen durch eine trotz der historischen Rahmenhandlung verwirrend zeitlose Welt reisen. Es sind die Tränengaukler, Schausteller die durch die Lande ziehen und für die leidenden Menschen weinen. Die burleske Darvasi treibt dabei einen faszinierenden Bilderreichtum und eine beeindruckende Personen- und Handlungsvielfalt voran, die zu einem ebenso märchenhaften wie schrecklichen Netz aus Trauer verflochten werden.
In der 2003 erschienenen Sammlung „Die Hundejäger von Loyang“ zeichnet Darvasi das Bild einer totalitären Herrschaft in einem imaginären China alter Zeiten, das in seiner Parabelhaftigkeit jedoch ganz und gar gegenwärtig ist. Verrätselt und abgründig, absurd, grausam und gleichzeitig voll Zauber und Schönheit spielen die Geschichten in dem ebenfalls 2003 erschienen Band „Eine Frau besorgen“ vor einer dem Bosnienkrieg entlehnten, immer wieder aber auch surrealen Kulisse.
Betrachtungen über den Sinn des Lebens und des Spiels stellt der Feuilletonist Darvasi in dem 2006 erschienenen Essayband „Wenn ein Mittelstürmer träumt. Meine Weltgeschichte des Fußballs“ an.
Das traurigste Orchester der Welt, Aus dem Ungarischen von Agnes Relle. Rowohlt Berlin, Berlin 1995
Die Legende von den Tränengauklern, Aus dem Ungarischen von Heinrich Eisterer. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2001
Die Hundejäger von Loyang, Chinesische Geschichten. Aus dem Ungarischen von Heinrich Eisterer. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2003
Eine Frau besorgen. Kriegsgeschichten, Aus dem Ungarischen von Heinrich Eisterer, Terézia Mora und Agnes Relle. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2003
Wenn ein Mittelstürmer träumt, Meine Weltgeschichte des Fußballs. Aus dem Ungarischen von Laszlo Kornitzer. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2006
Herr Stern, Aus dem Ungarischen von Heinrich Eisterer. Suhrkamp, Frankfurt am Main
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Literatur total
Bora Ćosić, Hugo Hamilton, László Darvasi, Leung Ping-Kwan, Michèle Métail, Mircea Cărtărescu, Olga Tokarczuk, Zsófia Balla2002, Hörbuch
Autoren lesen in der daadgalerie. Spurensicherung Band 8.