Serbien / Ungarn, Literatur, 2006

László
Végel

László Végel wurde 1941 in Srbobran, Serbien, geboren und lebt heute in Novi Sad. Er arbeitete als Redakteur der ungarischen Zeitschrift Uj Symposion, als Dramaturg beim Fernsehsender von Novi Sad und im Volkstheater von Subotica. Von 1994 bis zu dessen Schließung im Jahr 2000 war er Geschäftsführer des Büros der Soros-Gesellschaft in Novi Sad. Seinen ersten Roman veröffentlichte László Végel 1968, seitdem erschienen auf ungarisch und serbisch sechs Romane, sieben Essaybände und mehrere Theaterstücke. Er gilt als einer der wichtigsten Erneuerer der ungarischen Prosa.

László Végel ist ein „heimatloser Lokalpatriot“, Angehöriger der ungarischen Minderheit in Serbien und wie Danilo Kiš, Aleksandar Tišma oder Ottó Tolnai einer der großen Autoren der Wojwodina. Das Gefühl, anders zu sein, hat László Végel durch Ausgrenzung schon früh kennen gelernt. Etwa wenn er sich als junger Mann mit seiner serbischen Freundin winters auf dem katholischen Friedhof treffen musste, weil ihr vom Vater untersagt worden war, diesen „dahergelaufenen Ungar“ und „Abkömmling von Faschisten“ zu sehen.

Die frühe Stigmatisierung, „die Erfahrung der Vereinzelung und des Außenstehens, das Drama des Identitätsbewusstseins“, den Kampf des „aus dem (National-)Staat ausgeschlossenen Individuums“ hat László Végel zu seinem literarischen Thema gemacht – und dabei immer auch über existentielle Erfahrungen des allein auf die Bühne des Lebens gestellten modernen Menschen geschrieben. „Wer sein Leben mit diesem Erlebnis lebt, der weiß, dass er in dem engen Rahmen erstickt und in dem breiten verloren geht, aber er hat keine Wahl, da er in dem unlösbaren Widerspruch zwischen beidem sein zeitweiliges Zuhause findet.“

Bis der Nationalismus in Serbien ins Unerträgliche wächst und Anfang der 90er Jahre der Krieg beginnt, glaubte László Végel in Novi Sad ein Zuhause gefunden zu haben. Doch „so wie der Staat zerfiel, verfiel auch Novi Sad, denn die wahren Werte der Randgebiete lassen sich nur in einem mosaikartigen, multikulturell geprägten Staat bewahren. Die Donaustadt an der Grenze zwischen Mitteleuropa und dem Balkan hätte die glückliche Begegnung vielfachen Andersseins verkörpern können. Am Schnittpunkt der Kulturen, im ethnisch bunten Jugoslawien von einst nährte Novi Sad die Vorstellung, dass eine Stadt etwas anderes sei als ein Land, womöglich sogar mehr und daher geeignet für eine Utopie von einem freien, unabhängigen Städter.“ Novi Sad wird mit dem Krieg zu einer grauen serbischen Provinzstadt. Und László Végel wird 1999 bei einem Aufenthalt in Ungarn die Erfahrung „doppelter Fremdheit“ zuteil: während die NATO Belgrad bombardiert, schickt man ihn als „Jugo“ von Budapest zurück „nach Hause“, nach Serbien, weil seine Aufenthaltsgenehmigung abgelaufen ist.

Seitdem macht sich László Végel noch weniger Illusionen über die Natur des Menschen. „Oft ertappe ich mich dabei, wie ich in den Zimmern meiner leeren Wohnung auf und ab gehend den Punkt suche, wo ich auf Dauer bleiben kann. Wo mich die Erinnerungen nicht strafen, weil kein Stückchen Himmel mich belauert. Denn nur mit ihm habe ich Streit in den letzten Jahren. Von anderem konnte ich nicht enttäuscht werden.“

Kümmre dich nicht um die Welt, halte dich nur an die Landstraße. in: Draußen das Lamm, drinnen der Wolf. Ungarische Erzählungen 1945–1985. LCB-Editionen, Berlin 1985
Die Geschichte eines Sandkorns.
in: Neue Literatur (3/1993). Essay 1993
Die Gesten des Herrn Kis.
in: Sinn und Form (March). Essay 1995
What is Yugoslavia?
in: Sinn und Form (May/June). Essay 1996
Jahrtausende in Pannonien.
in: Literatur und Kritik (5). Essay 2001
Ein heimatloser Lokalpatriot.
in: Sinn und Form (January/February). Essay 2002
Windrose.
in: Kafka (No. 6). Essay 2002
Jahrtausende in Pannonien.
in: Literatur und Kritik (5/2001). Essay 2001
Europäische Bastarde. Tisma-Treppen auf- und ablaufend oder Die Abenteuer des Andersseins.
in: Sinn und Form (September). Essay 2003

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