Kanada, Bildende Kunst, 2017

Liz
Magor

Nabokov ist berühmt für seinen Ausspruch, dass Satire eine Lektion sei, und Parodie ein Spiel. Liz Magor ist bekannt für ihre Auseinandersetzung mit dem, was wir für echt oder authentisch halten, und dem, von dem wir wissen, dass es unecht oder nicht authentisch ist und dem Konflikt, den wir bei ihrer Gegenüberstellung empfinden.

Ian Carr-Harris

Die 1948 in Winnipeg, Kanada geborene Liz Magor gehört zu den wichtigsten kanadischen KünstlerInnen ihrer Generation. Im Verlauf ihrer über vierzig Jahre umfassenden Karriere – zu der auch die Teilnahme an der Venedig-Biennale (1984) und der documenta 8 in Kassel (1987) gehören – beschäftigt sie sich mit der Beziehung des Menschen zu den Dingen.

Liz Magor ist fasziniert von der Produktions- und Wertschöpfungskultur, also von den Konsumgütern, zu denen die Menschen eine bekannterweise ambivalente Beziehung hegen. Sie nimmt sich der gewöhnlichen Dinge unserer Welt an und verwendet sie in ihren Installationen entweder als Readymades oder formt sie mit anderen Materialien nach. Sie macht Abgüsse von allen möglichen abgelegten und unterschätzten Gegenständen, von Spielzeugen über Zigaretten bis hin zu Baumstämmen, und kombiniert sie mit Fundstücken aus der Alltagswelt, um Spekulationen anzuregen über den Verlust eines gewissen kommerziellen Reizes oder über den trügerischen Glanz der Oberfläche. Das Zusammenspiel der Materialien verdreht die Wertigkeiten. Die abgenutzten Teile vom Flohmarkt sind kaum von den von ihr angefertigten Skulpturen zu unterscheiden, das heißt, Objekt und Skulptur gehen direkt ineinander über. Wer besitzt nun welchen Status? oder, wie Beate Scheder in der taz formuliert: „Was hat welchen Wert und warum? Was machen die Dinge mit uns und wir mit ihnen?“ Durch bewusst gesetzte Leerstellen und Inszenierungen entwickeln Magors Arbeiten ein narratives Potenzial, das sich mit der literarischen Form der Kurzgeschichte vergleichen lässt – ohne Anfang und Ende sind es Ausschnitte einer übergeordneten Erzählung von den sozialen Nebenschauplätzen unserer heutigen Leistungsgesellschaft. Indem sie seriell arbeitet und mehrere Abgüsse derselben Form nebeneinanderstellt, um sie dann durch das Hinzufügen von Massenware wieder voneinander zu differenzieren, konterkariert sie das derzeitige Konzept von Identität deutlich. Sie selbst sagt dazu: „Die Horrorvorstellung, keine besondere Identität zu haben, ist also sehr hartnäckig und prägend für unsere Vorstellung von Produktion, Wirtschaft und Gesellschaft.“

Die Wiederentdeckung von Liz Magors Oeuvre in Europa steht in Verbindung mit einer jungen Künstlergeneration, für die die Selbstreferenzialität von Materialien und die Wirkmächtigkeit von Objekten entscheidende Elemente in ihrer Kunstproduktion darstellen. Im Kontext des «material turn» ist an der Arbeit von Liz Magor interessant, dass sie der materiellen Welt bei der Entwicklung gesellschaftlicher Strukturen eine maßgebliche Rolle beimisst. Ihre Auseinandersetzung mit den verschiedensten Materialien, ihre eigenwillige Bildsprache, ihr Verzicht auf jegliche Form von Sockeln und die von ihr hergestellte Verbindung von Skulptur und Raum stehen für eine Tendenz in der Bildhauerei, in der die Betrachter permanent gefordert sind, ihre Wahrnehmung zu gliedern, mit dem realen Leben abzugleichen und dann wieder durch subjektive Erkenntnisformen aufzulösen.

Text: Bettina Steinbrügge

Vergangen

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