Nigeria, Literatur, 2024, in Berlin

Logan
February

Photo: Diana Pfammatter

MENTALE RÄUME
Logan Februarys poetische Rituale

„Think of it as your very own voodoo, magic / coursing through your body.“ In einem Interview hat Logan February die eigene Arbeit einmal als Form des mentalen Voodoo bezeichnet. Und wirklich stellt sich bei der Lektüre dieser Gedichte unwillkürlich ein Analogiezauber ein, der älteste Yoruba-Traditionen beschwört, zugleich aber ein physischer Teil der queeren Gegenwart ist: „Skin translates to flesh translates to body.“ Die Rede ist hier von der eigenen Haut, die sich nicht verkörpern lässt, es sei denn in der Übersetzung. Wie gelingt diesen Texten, sprachlich betrachtet, ihr wundersames Gleiten von physischen in metaphysisch aufgeladene Objekte, von Yoruba-Traditionen in die Gegenwart, und wieder zurück? Und wo verlaufen die symbolischen Grenzen in ihren nicht-binär bestimmbaren Strömen?

Logan February, geboren 1999 in Anambra, Nigeria, ist nicht-binäre*r Lyriker*in, Essayist*in, Sänger*in, Songwriter*in und LGBTQ-Aktivist*in. Neben Veröffentlichungen in Literaturzeitschriften sind bislang drei Chapbooks – How to Cook a Ghost (2017), Painted Blue with Saltwater (2018), Garlands (2019) – und der Gedichtband In the Nude (2019) sowie Übersetzungen ins Spanische, Italienische und Niederländische erschienen. 2020 wurde Logan February mit dem Future Awards Africa Prize for Literature ausgezeichnet.

„So I sing to your rotations.“ Der Dämon der Analogie – Le démon de l’analogie – ist, wie Stephane Mallarmés gleichnamiges Gedicht von 1874 zeigt, ein Phänomen aus parallelen Sprachen. Hat er sich als Ohrwurm einmal eingenistet, erklingt der Dämon wie ein Song auf Repeat. Das ewig alte Lied stellt Verbindungen zu den Abwesenden wie zu den Toten her, „La Pénultième est morte“. Je mehr aber die Sätze ein Eigenleben entfalten, desto räumlicher werden sie, desto mehr nehmen sie den Charakter von Objekten an, die scheinbar in der Lage sind, das zu speichern, was auf sie projiziert wird. Es sind viele Tote in die Gedichte von Logan February eingeschrieben, die vielen queeren Toten von Gesellschaften, die andere Körper, andere Lebensweisen ausschließen und – wie in Uganda – bis heute per Todesstrafe verfolgen.

„Tell me / what you know of me / Am I truly a river.“ Ein Geheimnis der Verse von Logan February scheint mir in ihrem prozessualen Charakter zu liegen, in ihrem Vermögen, die Dinge im Fluss halten zu können, ohne Abdrift ins Beliebige. Die Figuren dieser Gedichte setzen Masken auf, die nicht Tarnungen sind, sondern deren Träger*innen zu dem werden lassen, als was sie sich zeigen. So können die Mannequins in einer Reihe von Selbstporträt-Gedichten zugleich Liebende wie Geliebte sein. Der Raum zwischen Signifikat und Signifikant implodiert. Denn die Puppen nehmen ebenso die Gestalten jener familiären Ahnenreihe an, die sich in die Neurosen jeglicher Liebesbeziehung einschreiben kann. Das Queering ist somit nicht thematische Behauptung, auch nicht bloß die von Identitäten, sondern sprachlicher Vorgang, Spiel mit Sprechpositionen: „your clicking and clacking into the shape of it.“

Es bereitet große Freude, Logan Februarys Texte dabei zu verfolgen, wie sie gängige binäre Denkmuster durchkreuzen. Afrikanische und europäische Diskurse, das alte Wissen des Òrìshà-Corpus und Einsichten der Psychoanalyse, Decolonial & Queer Studies bilden keine Widersprüche, sie durchdringen einander. Und dies geschieht nicht als nachträgliche Konstruktion, sondern aus der Erfahrung heraus, dass die Dinge faktisch immer schon kontaminiert sind. Es gebe eine „inherent queerness of tradition“, sagt Logan February. Und betrachtet es als Geburtsrecht, das Recht auf ein queeres Leben in Nigeria einzuklagen. In diesen Texten wird keine Reinheit, keine Unschuld verteidigt oder behauptet, nicht die von Nationen und nicht die von Körpern. Ach, würden wir nur erkennen, dass wir alle immer schon „fucked“ sind… Bis sich aber diese Erkenntnis allgemein einstellt, könnte die Lektüre solcher Gedichte sich als äußerst hilfreich erweisen: „From the prisma of the swirling, / I learn that you can still look pretty / in the middle of ruin.“

Text: Christian Filips

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