Südafrika, Bildende Künste, 2022

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MADEYOULOOK

MADEYOULOOK ist eine interdisziplinäre Kooperation zwischen Nare Mokgotho und Molemo Moiloa, deren so vielseitige wie umfassende Praxis aus dem tiefgreifenden Wissen und den radikalen Methoden schöpft, die das alltägliche Leben von Schwarzen in Johannesburg charakterisieren. Ihr Ansatz ist geprägt von langfristigen Forschungsvorhaben und kollaborativen Projekten, bei denen sich die Grenzen zwischen Forschung und Praxis, Inhalt und Form, KünstlerIn, Kunstwerk und Publikum verwischen. Stattdessen lenken MADEYOULOOK unsere Aufmerksamkeit auf Formate, die mit dem täglichen Leben assoziiert sind und in denen Fragen, Antworten und ihre Publika nicht voneinander zu trennen sind, sich gewissermaßen gegenseitig konstituieren.

Diese Revision der konventionellen Vorstellungen davon, wie, wo und mit wem Kunstwerke funktionieren, wird in Sermon on the Train (2009–10) deutlich, einer öffentlichen Vortragsreihe von MADEYOULOOK in Vorortzügen, die von BerufspendlerInnen in Johannesburg genutzt werden. Das Projekt erinnert an die Fotoserie Train-Church (1986) von Santu Mofokeng, die eine spezifische Praxis Schwarzer PendlerInnen dokumentiert: Während der langen Fahrt nach Johannesburg – wo damals nur Weiße wohnen durften – verwandelten sie Zugwaggons vorübergehend in Kirchen, hielten Predigten und Gebete ab.

In Sermon on the Train halten WissenschaftlerInnen vor mehr oder weniger interessierten Fahrgästen auf deren täglichem Arbeitsweg Vorträge auf Universitätsniveau. Dieses zweideutige Szenario bringt einen zum Nachdenken, wer hier eigentlich transformiert wird – die Vortragenden oder die Fahrgäste? Wer steht auf der Bühne, wer ist Publikum? Vielleicht geht es ja gerade darum, diese Unterscheidung auszuhebeln.

Für MADEYOULOOK ist ein Kunstwerk eine ganz gewöhnliche kulturelle Handlung inmitten anderer kultureller Handlungen. In Abkehr von der Vorstellung, dass Kunst in irgendeiner Form privilegiert sei, stiftet ihre Arbeit in ähnlicher Weise Bedeutung wie das Reisen, Beten, Lernen, Sich-Langweilen, Sich-Verlieben, Sich-Streiten, Träumen und andere alltägliche Verhaltensweisen. Anstatt manchen Praktiken höhere Weihen zu erteilen, andere hingegen zu verteufeln, brechen MADEYOULOOK Bedeutung auf und setzen in enger Verbindung mit Schwarzer Alltagspraxis neue Nuancen.

In Izwe: Plant Praxis (2019–2020) und Ejaradini (2019–fortlaufend) wird dieser Rahmen noch erweitert, um die Beziehungen der Schwarzen Stadtbevölkerung zu pflanzlichem Leben und zur natürlichen Welt zu untersuchen. Die Art, wie sich diese Beziehungen in den Arbeitsweisen Schwarzer GärtnerInnen herausbildeten, kann als Modell für die Umgestaltung und Rückforderung von Landbesitz, aber auch für Vergnügen, (Nahrungsmittel-)Sicherheit und gemeinschaftliche Resilienz dienen. In diesem Werkzyklus werden historische Forschung, diskursive Programmgestaltung und kollektiver Wissensaustausch in einer Matrix mobilisiert, die die Parameter des Schwarzen sozialen Lebens auf Kompost, Imphepho, Bienen und andere nicht-menschliche Elemente des Gartens ausweitet.

MADEYOULOOK rufen dazu auf, sowohl sich selbst als auch künstlerische Arbeiten als Knotenpunkte in Bedeutungsnetzwerken zu betrachten, in denen alle Schnittstellen so vital wie radikal unbeständig sind. Ihre Werke sind mikrokosmische Modelle größerer weltgestaltender Prozesse: manche vorläufig, manche spekulativ, alle transformativ. Sie sind auch makrokosmische Indizes, die auf Beziehungen jenseits kolonialer Wertvorstellungen verweisen: auf alltägliche Beziehungen, die Wissen – und dessen unregierbaren Zwilling, die Transformation – möglich machen.

Text: Nolan Oswald Dennis
Übersetzung: Anna Jäger

Vergangen

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