Kenia, Bildende Kunst, 2020

Mimi
Cherono Ng'ok

Foto: Mimi Cherono, Untitled, 2014, Eigentum der Künstlerin

Die Kunst von Mimi Cherono Ng’ok wird gewissermaßen von einem “grünen Impuls” durchdrungen. Er entspringt dem starken Bewusstsein der Künstlerin, dass die Umgebungen, die wir bewohnen und durchqueren, immer anfällig für ahnungslose Formen von Wachstum und Verfall sind. Als begeisterte Reisende setzt sich Cherono Ng’ok mit derlei Dynamiken auseinander, indem sie über weite geografische Gebiete hinweg, vor allem im globalen Süden, die Schnittstellen und das veränderliche Wesen von errichteten Lebenswelten, botanischen Kulturen, und sozialen Beziehungen nachverfolgt. Das Ergebnis sind heterogene Werke, die eng mit der offen persönlichen Perspektive der Künstlerin und ihrer beständigen Beschäftigung mit den mnemonischen Dimensionen des fotografischen Bildes verbunden sind.

Ein Großteil ihres Werkes der letzten zehn Jahre hat einen geistigen und selbstreflexiven Charakter. In der Arbeit mit einer analogen Mittelformatkamera entwickelte die Künstlerin eine kontinuierliche Praxis, über längere Zeiträume hinweg täglich zu fotografieren und dabei gewöhnliche und flüchtige Momente festzuhalten, die das tägliche Leben in den Tropen, sowohl zu Hause als auch auf ihren Reisen, durchziehen. Außenräume, die mit Vergänglichkeit assoziiert werden, tauchen als wiederkehrendes Thema auf, sei es bei der Fotografie von Hotelfassaden und abgerissenen Gebäuden in Dakar, von Bürgersteigen und beliebten Stränden in Accra oder von dichtem Gebüsch entlang der Straßen von Nairobi. Die Andeutung von häuslichem Leben ist ein weiteres Leitmotiv, das sich durch die Bilder von Innenräumen zieht. Sie reichen von Porträts von Freunden , die auf blumigen Bettdecken liegen, bis hin zu Bildern, die eine unsichtbare menschliche Präsenz evozieren: frisch geschnittene Blumen, aufgeschnittene Früchte, Topfpflanzen und verstreute Kleidung.

Beispiele für die oben genannten Arbeiten finden sich in zahlreichen Ausstellungen und Biennalen, in denen das Werk der Künstlerin im Laufe der Jahre gezeigt wurde – Präsentationen, die typischerweise von Cherono Ng’oks Vorliebe für Intuition und offene Erzählungen geleitet werden. Ihre Fotoinstallationen sind ausnahmslos einzigartig und ortsspezifisch. Einzelne Bilder wiederholen sich gelegentlich in der gleichen Installation, und Fotografien aus verschiedenen Orten und Zeiten vermischen sich, ohne dass eine offensichtliche Beziehung zwischen ihnen besteht. Die materielle Form ihrer Bilder ist anfällig für Mutationen: Drucke werden manchmal ausgeschnitten und collagiert, und bestimmte Bilder werden in einer Ausstellung wiederholt in einem verkleinerten Maßstab gezeigt und in der nächsten als großformatige Vinyltapete hervorgehoben. Diese Verfahren spiegeln Cherono Ng’oks Beharren wider, Bilder als organische Materie zu betrachten, deren Form ebenso wie ihr Inhalt anfällig für Veränderungen ist.

In den letzten Jahren hat sich die Kunst von Cherono Ng’ok mit pointierteren Themen wie den medizinischen Eigenschaften von Pflanzen sowie deren Assoziationen mit Romantik und Trauer beschäftigt. Ihr jüngstes Werk konzentriert sich insbesondere auf die tröstende Wirkung der Pflanzenwelt und enthält subtile Anspielungen auf Verlust, sowohl aus persönlicher als auch aus ökologischer Sicht. Dieses neue Werk, entstanden in Nairobi, der Dominikanischen Republik und São Paulo, setzt verschiedene Medien ein und erforscht die Art und Weise, wie bestimmte Arten aus der Pflanzenwelt, die in verschiedenen Städten vorkommen, Vertrautheit erzeugen und so das Gefühl von Angst und Entfremdung mildern, das oft mit Reisen an neue Orte einhergeht. Diese Arbeiten bilden somit in Miniatur die Gesamtvision einer Künstlerin ab, deren Praxis sich durch ständige Bewegung entfaltet und alle damit verbundene Zerbrechlichkeit aufnimmt.

Text: Antawan I. Byrd
Deutsche Übersetzung: Anna Jäger

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