USA, Film, 1992

Shelly
Silver

Foto (c) Ekko von Schwichow (1992)

Die New Yorker Filmemacherin Shelly Silver (geb. 1957 in Brooklyn/NY)studierte Europäische Geistesgeschichte und Mixed Media an der Cornell University, New York. Von 1992 bis 1993 war sie Stipendiatin des DAAD im Rahmen des Berliner Künstlerprogramms (BKP).

Während ihrer Zeit als DAAD-Stipendiatin entstand der 62-minütige Dokumentarfilm Former East/Former West (1994), in dem Silver das Problem der „nationalen Identität“ im wiedervereinten Berlin ins Blickfeld rückt. Sie befragte Hunderte von PassantInnen zu Begriffen wie Demokratie, Freiheit, Volk, Heimat, Sozialismus, Kapitalismus oder Geschichte. Die Straßeninterviews, in denen die Menschen auf teils sehr offene und persönliche Weise über ihr Leben und ihre Stadt sprechen, stellen eine Collage aus Geschichte und Zeit dar. Entstanden ist ein facettenreiches und feinfühliges Porträt einer zerrissenen Stadt, das die Wünsche, Hoffnungen, Begierden, aber auch Existenzängste, Vorurteile und Enttäuschungen bis hin zu (Fremden-)Hass der BerlinerInnen drei Jahre nach der Wende widerspiegelt. Der Film wurde 1997 im Kino Arsenal im Rahmen der DAAD-Filmreihe „Filme aus USA“ gezeigt. Zu sehen war er auch 1999 in der vom BKP organisierten Filmreihe „Berlin oder das Auge des Wirbelsturms“.

In ihren Experimental-, Spiel- und Dokumentarfilmen nimmt Silver Dimensionen des Öffentlichen und Privaten, Vergnügen und Begehren sowie Authentizität und Fiktion in den Blick und geht Fragen der persönlichen, kulturellen und politischen Identität nach. Für Silver ist Identität dabei konstruiert und nicht angeboren. So setzt sie sich in dem preisgekrönten Video im Cinema-vérité-Stil Meet the People (1986) mit der Frage auseinander, was das Individuelle vom Stereotyp unterscheidet und wie wir bestimmte Charaktere und soziologische Typen auf der Grundlage von Physiognomie, Kleidung oder Akzent beurteilen. 14 Menschen, als talking heads gefilmt, geben vor, das zeitgenössische New York zu repräsentieren, vom Taxifahrer bis zur Stripperin. Das Impressum am Ende des Films enthüllt jedoch, dass die Beteiligten SchauspielerInnen waren, die ein von Silver verfasstes Skript vorgelesen hatten.

2006 nahm Silver an der Ausstellung High Definition in der nGbK in Berlin teil. In ihrem dort gezeigten Video What I’m looking for (2004) setzt sie sich mit Veränderungen der Wahrnehmung durch neue Medientechniken auseinander. Silvers fantasievoll-abenteuerliche Dokumentation oszilliert zwischen virtueller und realer Öffentlichkeit, Intimität und Distanz, Begehren und Kontrolle. Der Film wurde auch 2005 auf dem Forum des jungen Films auf der Berlinale gezeigt.

Silvers Arbeiten wurden unter anderem im Museum of Modern Art, New York, in der Tate Modern, London, im Centre Pompidou, Paris, im Museum of Contemporary Art Los Angeles, im Yokohama Museum, Yokohama, im Institute of Contemporary Arts (ICA), London, im Kunstverein in Hamburg sowie auf den London, Singapur, New York, Moskau und Berlin Film Festivals gezeigt.

Text: Laura Windisch

Vergangen

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