Polen, Musik, 1970

Witold
Szalonek

Witold Szalonek (geb. 1927 in Czechowice-Dziedzice, Polen; gest. 2001 in Berlin) studierte Klavier bei Wanda Chmielowska und Komposition bei Bolesław Woytowicz an der Staatlichen Hochschule für Musik in Katowice (1949–1956). 1962 zog Szalonek nach Paris, um bei Nadia Boulanger Komposition zu studieren. Ab 1967 lehrte er Komposition an seiner Alma Mater in Katowice; von 1970 bis 1974 leitete er dort das Institut für Komposition und Musiktheorie. Als Gast des Berliner Künstlerprogramms des DAAD (BKP) lebte und arbeitete Szalonek in den Jahren 1970/71 in Berlin.

Szalonek war ein früher Vertreter der mit dem Sonorismus verbundenen polnischen Avantgardebewegung. Er komponierte viele seiner Stücke mittels „selektiver Dodekaphonie“, setzte Timbre und Klangfarben als formgebende Träger von Inhalt und emotionalem Ausdruck ein. Szalonek erforschte neue klangliche Möglichkeiten von Holzblasinstrumenten, entwickelte unkonventionelle Artikulationstechniken und systematisierte die auf diese Weise „kombinierten Klänge“ in Form eines Katalogs bzw. Lexikons, das sowohl für KomponistInnen als auch für InterpretInnen gedacht war. In den 1960er und 1970er Jahren wurde seine Musik häufig auf dem Festival Warschauer Herbst aufgeführt. 1968 hörte dort auch Otto Tomek, der Abteilungsleiter Neue Musik beim Westdeutschen Rundfunk in Köln, Szaloneks Komposition Quattro monologhi per oboe solo. Tomek war ein aktiver Botschafter polnischer Musik in Deutschland und empfahl Szalonek an Peter Nestler, den Leiter des BKP. In seinem Brief bemerkte Tomek, dass dieser sehr interessante polnische Komponist im Schatten seiner Kollegen stand. Denn obwohl Szalonek in seinem Werk sonoristische Werte betonte, gehörte er nicht zu den Vertretern der damaligen polnischen Kompositionsschule. Szalonek war auch als Autor und Theoretiker tätig; er interessierte sich für ästhetische Theorie und insbesondere für die ästhetische Wirkung und gesellschaftliche Bedeutung der jüngsten Entwicklungen in der westlichen Avantgarde-Musik. In seinen Vorträgen und Texten setzte er sich mit radikalen Experimenten und der Sprache der neuen Musik aus einer globalen Perspektive auseinander und verglich die westliche Avantgarde-Musik mit traditioneller Musik aus Bali oder Japan. Während seines Aufenthalts in Westberlin nahm Szalonek die multikulturelle Atmosphäre der Stadt begeistert auf, was seinen Widerstand gegen den Eurozentrismus in der Musik verstärkte.

1973 kehrte er als Professor für Komposition an der Hochschule der Künste in Berlin (heute Universität der Künste) nach Westberlin zurück. In dieser Zeit schloss er Freundschaft mit dem in Berlin lebenden koreanischen Emigranten Isang Yun. Beide unterrichteten Komposition an der Hochschule der Künste und gaben gemeinsame Konzerte ihrer Kompositionen.

Text: Monika Żyła

Übersetzung: Anna Jäger

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