"Die Verschwundenen"
18.06.2019 / 19:00 – 21:00
Mit Antonio Ortuño
„Mexiko ist ein Schlachthaus und ein Knochengrab, ein Land, in dem viele täglich ihre Arbeit damit verbringen, andere wie Vieh zu behandeln, sie auszubeuten, über ihr Leben oder ihren Tod und auch das Fleisch ihres Körpers zu bestimmen (…) In diesem schwarzen Loch leben wir.“ Diese Sätze sagte der 1976 geborene Schriftsteller Antonio Ortuño auf einer Demonstration in seiner Geburtsstadt Guadalajara, die sich selbst „Perle des Westens“ nennt.
In Antonio Ortuños jüngsten Roman „Die Verschwundenen“ ist Guadalajara Schauplatz für schaurige Verflechtungen von Politik und Verbrechen. Der skrupellose Bauunternehmer Don Carlos Flores plant eine luxuriöse Wohnanlage. Für sein Projekt muss er sich nur noch den Grund und Boden aneignen und die alteingesessenen Einwohner vertreiben. Nach einigen Schikanen gehen viele freiwillig; zwei Familien lassen sich aber nicht unter Druck setzen und sind plötzlich verschwunden. Als Journalisten recherchieren, führen alle Spuren zu Don Carlos, der daraufhin den Behörden seinen Schwiegersohn Aurelio Blanco als Bauernopfer ausliefert. Fünfzehn Jahre später kehrt Blanco aus der Haft zurück und sucht nach Wiedergutmachung.
Wie in seinen vorangegangen Romanen gelingt Ortuño ein spannender Thriller, der den Leser, die Leserin mit seiner bildhaften Sprache fesselt und zugleich eine grundsätzliche Frage erörtert: Wie lässt sich der Kampf um Wahrheit und Gerechtigkeit erzählen, wenn Korruption und Gewalt fast alle Aspekte des Lebens durchdringen?
Ortuños Debütroman wurde von der Zeitung Reforma zum besten mexikanischen Roman 2006 gewählt, 2010 kürte ihn das Magazin Granta zu einem der besten jungen spanischsprachigen Autoren der Gegenwart. Auf Deutsch erschienen bei Kunstmann „Die Verbrannten“ (2015) und „Madrid, Mexiko“ (2017). Seit einem Jahr lebt Ortuño als Gast des Berliner Künstlerprogramms des DAAD in Berlin. Zum Ende seines Residenzaufenthaltes in Berlin feiert er in der daadgalerie seine Buchpremiere und spricht mit der Literaturkritikerin Katharina Döbler über das Schreiben im heutigen Mexiko, über Literatur als Abrechnung mit der Macht und über seine Leidenschaft für die Geschichte des deutschen Punks.
Lesung und Gespräch auf Deutsch und Spanisch
Moderation: Katharina Döbler
Foto: Alvaro Moreno