Künstlerinnengespräch mit Tuli Mekondjo und Paz Guevara
02.07.2024 / 19:00 – 21:00
Mit Tuli Mekondjo
Tuli Mekondjo zeigt in ihrer kürzlich in der daadgalerie eröffneten Ausstellung Ousie Martha verschiedene Arbeiten, die sie während ihres Aufenthalts in Berlin entwickelt hat und die auf der intensiven Recherche in verschiedenen Museumssammlungen und Archiven zu den Spuren des deutschen Kolonialismus in Namibia basieren.
Im Gespräch mit Paz Guevara wird Tuli Mekondjo Einblicke in ihre künstlerische Praxis geben.
In ihren fragilen und zugleich kraftvollen Textilarbeiten und Performances spricht Tuli Mekondjo von der kolonialen Geschichte Namibias und ihrem eigenen Weg, den auch heute noch hoch aktuellen Realitäten von Gewalt, Unterdrückung und Verlust der verschiedenen Gemeinschaften und Kulturen ihres Heimatlandes Sichtbarkeit zu verleihen. Die Künstlerin fordert mit ihrem poetischen und sehr persönlichen Werk die Anerkennung nicht eingelöster potentieller Geschichten und Erfahrungen, wie auch die Rückgabe unrechtmäßig entzogener kultureller Objekte und Überlieferungen.
Unter dem Titel Ousie Martha rückt Tuli Mekondjo die maßgebliche Bedeutung der (Zwangs-)Arbeit der Frauen in Namibia in den Fokus. Die gezeigten Werke reflektieren die Herrschaftsstrukturen, die unter den Kolonialmächten in Namibia Einzug hielten und bis heute in die verschiedenen Gesellschaften und Kulturen einwirken. Radikale Formen der Einschreibung in alltägliche Zusammenhänge werden thematisiert, etwa durch die künstlerische Bearbeitung von historischen Fotografien aus europäischen Archiven oder durch Referenzen zu auferlegten Kleidungsstilen, der Ausübung haushälterischer Tätigkeiten und offiziell gesprochenen oder verschwundenen Sprachen. Die Wiederherstellung der Fruchtbarkeitsströme als Heilungsprozess und Verbindung zu ihren Ahnen ist ein zentrales Thema der künstlerischen Auseinandersetzung Tuli Mekondjos mit der eigenen Biografie. Dies wird besonders in der Arbeit Ounona vedu (Children of the soil) von 2023 deutlich: durch die Nachbildung der heute nur noch in westlichen Ethnographischen Museumssammlungen existierenden Fruchtbarkeitspuppen, die ursprünglich in den Gesellschaften der Aawambo über Generationen als Symbol für Fruchtbarkeit weitergereicht wurden, repariert Tuli Mekondjo eine gekappte Verbindung zur eigenen Identität.
Tuli Mekondjo war 2022/2023 Fellow des Berliner Künstlerprogramms des DAAD. Aktuell ist sie Stipendiatin an der Villa Romana in Florenz, und ihre Arbeiten werden in diesem Jahr u.a. in Dresden, Dakar und New York zu sehen sein.
Paz Guevara ist Kuratorin, Forscherin, Autorin und Pädagogin. Sie ist Dozentin im Masterstudiengang Spatial Strategies an der Weißensee Kunsthochschule Berlin und als Kuratorin für Ausstellungspraktiken am HKW tätig.
Foto: Thomas Bruns